Lieber für etwas als gegen etwas sein

Interview mit dem Aktionsurlauber Markus Schmidgen

Das Interview führte Edda Dietrich.

 

Für gut eine Woche ist Markus Schmidgen Gast bei uns im Berliner Landesbüro. Angereist aus Köln unterstützt er uns in diesen Tagen beim aktuellen Volksbegehren "Mehr Demokratie bei Wählen". Markus ist zur Zeit im Landesbüro von NRW für Mehr Demokratie tätig.

 

Wie viele andere hast du zu Mehr Demokratie auf Umwegen gefunden.

Markus: Stimmt. Eigentlich wollte ich Lehrer für Englisch und Geschichte im gymnasialen Bereich werden. Während der Referendarzeit habe ich aber gemerkt, dass das nichts für mich ist. Die Vorgaben, die mir gemacht wurden, konnte ich nur schwer einhalten. Ich hatte mir das Lehren anders vorgestellt, hatte mir für die Schüler ein freieres Lernen gewünscht. Nun bin ich aber kein Mensch, der ständig gegen etwas kämpfen kann. Das liegt mir nicht. Aber ich wollte mich auch nicht permanent verbiegen. So habe ich die Referendarzeit abgebrochen.

 

Ist das nicht riskant in der heutigen Zeit? Wusstest du, wie es für dich weitergehen würde?

Markus: Nein, das habe ich nicht gewusst. Umso glücklicher war ich, als ich erfuhr, dass ich im Büro bei Mehr Demokratie arbeiten konnte. Ich habe mich im Vorfeld ausführlich über die Arbeit von Mehr Demokratie informiert. Was ich erfuhr, das hat mir gut gefallen und mich neugierig gemacht.

 

Was sind nun deine Aufgaben?

Markus: Ich erledige allgemeine Büroarbeiten, werbe neue Mitglieder für den Verein und beteilige mich an einer Studie zu Fragen rund um den EU-Reformvertrag. Außerdem bin ich gerne bei den Straßenaktionen dabei. Ein Grund, der mich nun auch nach Berlin führt, um euch bei eurem aktuellen Volksbegehren zu unterstützen.

 

Was an der Straßenarbeit ist für dich das besondere?

Markus: Ich finde es wichtig, die Bürger neu für Fragen der Demokratie zu interessieren. Für mich selbst erfahre ich auf der Straße, womit sich die Menschen wirklich beschäftigen. So kann ich eine sinnvolle Verbindung herstellen. Ich nehme die Sorgen und Fragen der Menschen auf und laufe so nicht Gefahr, in dem Wissen aus Büchern und Studien zu ersticken. Anderseits ist es eine gute Kraft für mich, mich für mehr Demokratie einzusetzen. Ich bin lieber für etwas als gegen etwas. Das entspricht einfach meiner Persönlichkeit.

Heute zum Beispiel hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem Polizisten auf der Straße. Er meinte, dass er so viel Bürgerwillen gar nicht wolle. Er sähe ja jeden Tag, wozu der Bürger fähig sei, da wolle er den Bürgern gar nicht so viele Entscheidungsmöglichkeiten einräumen.

 

Hörst du das nicht oft während der Unterschriftensammlungen?

Markus: Ja, das ist eine typische Argumentation von Menschen, die mehr Demokratie ablehnen. Aber ich konnte ihm entgegen halten: Schauen Sie, wenn Sie Vater eines Kindes sind, dann wissen Sie, dass das Kind das eine oder andere noch nicht kann. Und trotzdem oder gerade aus diesem Grund eröffnen Sie ihm einen Raum, in dem es eine nach der anderen Fähigkeit erüben kann. Erst durch diese Räume wird es dem Kind möglich, allmählich seine Fähigkeiten auszubilden. So ist das auch mit der Demokratie. Erst wenn wir diese Instrumente benutzen und einsetzen können, können wir als Menschen auch die Fähigkeiten entwickeln gleichberechtigt und verantwortlich miteinander umzugehen.

 

Und hat der Polizist dich an diesem Punkt verstanden?

Markus: Ja, er meinte: Wenn Sie das so sagen, da stimme ich Ihnen zu - und hat unterschrieben.

 

Das ist sicher eine positive Erfahrung, aber das ist doch nicht immer so?

Markus: Nein, natürlich nicht. Aber trotzdem ist spürbar, dass sich die Menschen wieder neu für diese Fragen interessieren. Ihnen die eine oder andere Anregung geben zu können, das macht mir Freude.

 

Darum also reist du von Köln nach Berlin?

Markus: Ja. Aber auch um andere Aktionsurlauber kennen zu lernen. Auf diese Weise, denke ich, können wir ein lebendiges Netzwerk schaffen. Ich genieße es, in Verbindung mit Menschen zu stehen, die ebenso wie ich an diesen Fragen arbeiten, für die diese Idee wichtig ist. Die finde ich zum Beispiel während dieser Aktionswochen. Heute Abend zum Beispiel treffen sich alle Aktionsurlauber und die Mitarbeiter eures Büros zu einem gemeinsamen Abendessen. Ich freue mich schon darauf, wieder neue Gesichter und Geschichten kennen zu lernen. Vielleicht entstehen im Gespräch sogar neue Projekte?

 

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