Fristen für die Verbändebeteiligung in Gesetzgebungsprozessen
Die Bundesministerien räumen zivilgesellschaftlichen Verbänden oft zu wenig Zeit ein, um ihre fachliche Expertise bei Gesetzesänderungen einzubringen. Regelmäßig kritisieren Verbände und Zivilgesellschaft, dass die von den Ministerien angesetzten Fristen zu knapp sind, um im Rahmen der Verbändebeteiligung Stellung nehmen zu können. Zwar verpflichten wenige Minsiterien selbst zu eimer Frist von mindestens vier Wochen (20 Arbeitstage), eine gesetzlich geregelte Mindestfrist gibt es aber nicht. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien sieht lediglich ein Vier-Wochen-Frist für die Ressortbeteiligung vor. Wir von Mehr Demokratie haben gemeinsam mit FragDenStaat und Green Legal Impact Daten der aktuellen und vergangenen Legislaturperiode untersucht.
Bei knapp zwei Dritteln der ausgewerteten Fälle mussten die Verbände in weniger als 20 Arbeitstagen Stellung nehmen, in knapp 30 Prozent der Fälle in weniger als 10, in 18 Prozent der Fälle in weniger als fünf Arbeitstagen.
„Verbände verfügen über wichtiges Expertenwissen über die Auswirkungen von Gesetzesänderungen. Eine fachliche Bewertung der Gesetze ist aber nur dann möglich, wenn den Verbänden ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Verbände sollten in der Regel vier Wochen Zeit für eine sachgerechte Bewertung haben. Eine entsprechende Regelung sollte in die Geschäftsordnung der Ministerien aufgenommen werden.“
Eine entsprechende gesetzliche Regelung der Fristen für Verbandsbeteiligungen gibt es derzeit nicht. In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) wird in Paragraf 47 geregelt, dass der Gesetzesentwurf den Verbänden „möglichst frühzeitig zuzuleiten“ ist und „Zeitpunkt, Umfang und Auswahl dem Ermessen des federführenden Bundesministeriums überlassen” sind. Einzelne Ministerien verpflichten sich selbst zu einer Frist von mindestens vier Wochen bzw. 20 Arbeitstagen für eine sachgerechte Bearbeitung.
Lediglich das Justizministerium räumt Verbänden überwiegend eine ausreichende Frist ein. Das Justizminiterium (BMJ) gewährt den Verbänden durchschnittlich 23 Arbeitstage. Bei 67 Prozent der Gesetzesentwürfe hat es 20 oder mehr Arbeitstage eingeräumt. Besonders schlecht schneiden in der Auswertung das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) mit einer durchschnittlichen Frist von 4,9 Arbeitstagen sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit durchschnittlich 11,8 Arbeitstagen ab.
Nahezu unmöglich wird eine sachgerechte Bewertung von Gesetzesämnderungen bei extrem kappen Fristen von bis zu zwei Arbeitstagen. Dies war in der Hälfte der Fälle beim BMWSB und bei 14 Prozent der Gesetzentwürfe des BMWK der Fall. Zum Beispiel hatten Verbände für das Wohngeld-Plus-Gesetz im September 2022 nur zwei Arbeitstage Zeit. Eingebracht wurde es aber erst im November. Für das Klimaschutzgesetz gewährte das BMWK den Verbänden noch weniger als zwei Arbeitstage. Es wurde am Donnerstag (15. Juni 2023) um 18:28 Uhr verschickt mit der Bitte um Stellungnahme bis zum darauffolgenden Montag, 10 Uhr vormittags. Im Unterschied dazu sticht auch bei der Betrachtung sehr kurzer Zeiträume das BMJ mit lediglich 1 Prozent der Gesetzentwürfe positiv hervor.