Stop CETA - Abschlussbericht zur Kampagne in den Niederlanden
Wie alles anfing – Stop CETA
Im Juli 2015 trat in den Niederlanden das Referendumsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz ermöglichte uns, nach der Ratifizierung von CETA durch das niederländische Parlament ein unverbindliches Referendum einzuleiten, um diese Entscheidung zu korrigieren.
Als CETA vom niederländischen Parlament ratifiziert wurde, hat Meer Democratie Niederlandeim Bündnis mit anderen NGO einen Aufruf gestartet, mit dem wir ein Referendum über CETA forderten. Über 200.000 Bürgerinnen und Bürger haben 2016 und 2017 unterzeichnet.
VON ARJEN NIJEBOER
(aus dem Englischen von Nicola Quarz)
Aber dann ...
... kündigte die neue Regierungskoalition nach den Wahlen im Frühjahr 2017 die Abschaffung des Referendumsgesetzes an. Der Grund dafür war das erste von Bürgern initiierte Referendum über den Assoziationsvertrag der EU mit der Ukraine, der von 61% der Wähler abgelehnt wurde. Die Mehrheit der Parteien sah es als populistisches, antieuropäisches Referendum an und behauptete, die Wähler wollten nur gegen die Regierung stimmen.
Untersuchungen von Politikwissenschaftlern ergaben das Gegenteil: Die meisten Wähler hatten ihre Stimme tatsächlich auf den Vertrag selbst bezogen. Selbst wenn die Initiatoren tatsächlich europaskeptisch waren, kann deren Motivation nicht die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger entkräften. Die Abstimmung brachte die niederländische Regierung jedoch in eine schwierige Lage, da die meisten anderen EU-Länder den Vertrag bereits ratifiziert hatten. Nun musste die niederländische Regierung neu verhandeln. Es kam schließlich zu einer Erklärung der EU-Staatschefs, die dem Vertrag beigefügt war und einen unklaren Rechtsstatus hatte, nicht aber zu Änderungen des Vertrags selbst.
Save the referendum
Wir mussten also die Stoßrichtung unserer Kampagne ändern. Ziel war nun, ein Referendum über die Abschaffung des Referendums durchzuführen. Die erste Tat der neuen Regierung am 20. Dezember 2017 war, die Veröffentlichung des Aufhebungsgesetz, mit dem das Referendumsgesetz abgeschafft wurde. Dann folgte der nächste Schock: Mit einem umstrittenen Trick sollte ein Referendum über die Abschaffung des Referendums blockiert werden. Im Aufhebungsgesetz ist eine sogenannte Rückwirkung eingebaut und damit die Möglichkeit eines Referendums ausgeschlossen.
Wir führten Gespräche mit Politikern, stellten sicher, dass die gesamte Opposition hinter uns war, starteten eine Petition gegen die Abschaffung des Referendums. Mit der Opposition organisierten wir zwei Anhörungen im niederländischen Parlament, an denen Abgeordnete fast aller Parteien mit führenden Politikwissenschaftlern und Staatsrechtsprofessoren teilnahmen. Buchstäblich alle kritisierten die vorschnelle Abschaffung des Referendumsgesetzes nach so kurzer Zeit und sprachen sich ausdrücklich dagegen aus, ein Referendum über das Referendum zu blockieren.
Da das Referendumsgesetz selbst aber einen solchen Trick bereits vorhergesehen und verboten hatte, gingen wir insgesamt dreimal vor Gericht.
In den Tagen vor der letzten Debatte im Senat schickten tausende Bürgerinnen und Bürger E-Mails. Alle Senatoren erwähnten dies während der Debatte.
Der Widerstand wächst
Die Resonanz in der Öffentlichkeit und den Medien war enorm: Hunderte Artikel in den nationalen Medien, Dutzende Interviews im Fernsehen und Radio. Fast alle Politikwissenschaftler und Staatsrechtler sprachen sich öffentlich gegen die vorschnelle Abschaffung des Referendums aus, fast alle Kolumnisten und Meinungsführer, die sich zu Wort meldeten, waren dagegen, die gesamte Opposition war dagegen, etc. Umfragen zeigten, dass die Abschaffung des Referendums zu den Top 3 der am meisten abgelehnten Maßnahmen der neuen Regierung gehörte.
Die Kritik an der Regierung wurde noch schärfer, nachdem im März 2017 das zweite von Bürgerinnen und Bürgern initiierte Referendum über das neue Nachrichten- und Geheimdienstgesetz stattfand. Eine knappe Mehrheit stimmte dagegen, woraufhin die Regierung einige Änderungen am Gesetz über die umstrittensten Aspekte vornahm. Dieses Referendum wurde allgemein als ein sehr positives Referendum angesehen, mit einer sorgfältigen und nuancierten Debatte und einer hohen Beteiligung von 51%. Danach sagten mehrere Meinungsführer, die sich früher gegen Referenden ausgesprochen hatten, sie hätten jetzt ihre Meinung geändert und unterstützten die direkte Demokratie. Wir denken: Die Regierung hatte zu diesem Zeitpunkt längst erkannt, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Das (vorläufige) Ende
Aber sowohl die direkt gewählte Zweite Kammer als auch der indirekt gewählte Senat stimmten mit sehr knapper Mehrheit dem Aufhebungsgesetz einschließlich des Rechtstricks zu. Wir haben unsere drei Gerichtsverfahren verloren. In den ersten beiden haben die Richter grundsätzlich gesagt, dass sie sich nicht in das damals laufende Gesetzgebungsverfahren einmischen wollen.
Das Urteil der letzten Gerichtsverhandlung, das von 2.500 Bürgerinnen und Bürger initiiert wurde, ist am 16. Januar 2019 vom "Staatsrat" (Raad van State), dem höchsten Verwaltungsgericht der Niederlande, gefällt worden. Es entschied, dass spätere Gesetze, in unserem Fall das Aufhebungsgesetz, Vorrang vor früheren Gesetzen wie dem Referendumsgesetz haben. Zugleich beschlossen sie, dass das Referendumsgesetz kein Spezialgesetz, sondern ein allgemeines Gesetz war, genau wie das Aufhebungsgesetz, so dass das Referendumsgesetz nicht über dem Aufhebungsgesetz stehen würde. Auch wollten wohl die Richter eine politische Entscheidung des Parlaments nicht stören.
Ausblick
Das Referendumsgesetz kann abgeschafft werden, aber die Idee des Referendums geht nicht verloren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es wieder eingeführt wird. Bei den Provinzwahlen am 20. März 2019 hat sich eine klare Mehrheit für die Wiedereinführung des unverbindlichen Referendums ergeben. Die Provinzparlamentarier wählen im Mai den Senat. Meer Democratie Niederlande plant, dafür Gesetze ins Parlament einzubringen, möglicherweise über das Recht der nationalen Agenda (die Bürgerinitiative).