EU: Lobby gewinnt gegen Bürgerbeteiligung
Erst zugesagt, dann hängen gelassen: Trotz verbindlicher Zusage greift die EU-Kommission die europäische Bürgerinitiative zur Beendigung von Käfighaltung wohl doch nicht auf. Die Glaubwürdigkeit der europäischen Bürgerinitiative steht auf dem Spiel.
Im Juni 2024 stehen die nächsten europäischen Wahlen an und antidemokratische Kräfte gewinnen an Zulauf. Immer wieder rufen Politikerinnen und Politiker dazu auf, die Demokratie zu verteidigen. Doch viele Menschen haben keinen Bezug zur europäischen Demokratie in Brüssel.
Europäische Bürgerinitiative für mehr Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene
Seit der Einführung der Europäische Bürgerinitiative (EBI) vor zehn Jahren gab es über 100 Initiativen. Damit sich die Kommission mit einer Initiative befasst, müssen vorher eine Millionen Unterschriften gesammelt werden. Diese Unterschriften-Hürde haben bisher zehn Initiativen genommen. Das länderübergreifende Demokratie-Instrument funktioniert also: Aber nur theoretisch. Denn bisher wurde keine der erfolgreichen Bürgerinitiativen von der Kommission vollständig aufgegriffen.
Bürgereinfluss auf EU Ebene: bis dato nur theoretisch
Im Juni 2021 verpflichtete sich die Kommission, die von 1,4 Millionen Menschen unterzeichnete EBI “End the Cage Age“ umzusetzen. Sie zielt darauf ab, 300 Millionen Tiere in der EU aus der Käfighaltung zu befreien. Ein wichtiger Schritt, um den Green Deal umzusetzen. Auch das Europäische Parlament hat dazu eine unterstützende Resolution mit großer Mehrheit verabschiedet. Und tatsächlich wurde zunächst geliefert: Die wohl weltweit umfassendste Reform für mehr Tierwohl für Nutztiere wurde ausgearbeitet und konkret umsetzbare Gesetzesvorschläge liegen vor.
Doch in ihrer Rede zur Lage der EU hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dieses wichtige Thema mit keinem Wort erwähnt. Was hat die Kommission dazu gebracht, ihre Haltung zu ändern? Waren es die 17 Verbände der Fleischindustrie, mit denen sich der zuständige Kommissar getroffen hat?
Die Bürgerinnen und Bürger verlieren das Vertrauen in eine europäische Demokratie, wenn diese es nicht schafft, wichtige Gemeinwohl-Anliegen gegen die Profitinteressen einer Lobby durchzusetzen. Ohne eine wirkungsvolle EBI verliert die EU die Organisationskraft, die Mobilisierungsfähigkeit und das Zusammengehörigkeitsgefühl, die allesamt entstehen, wenn Menschen sich per Bürgerinitiative gemeinsam für ein Anliegen einsetzen.
Demokratie braucht wirkungsvolle Kanäle der Beteiligung
Die EU darf keine Demokratie ohne aktive Bürgerschaft bleiben. Eine funktionierende Demokratie braucht notwendigerweise eine starke Verankerung bei den Bürgerinnen und Bürgern! Es braucht wirkungsvolle Kanäle der Beteiligung.
Deshalb fordern wir zusammen mit anderen Organisationen die EU-Kommission in einem offenen Brief auf, dieses fatale Signal zurückzunehmen und die Gesetzesvorschläge zur EBI “End the Cage Age“ umzusetzen. Die Kommission muss ihre Verpflichtung zur Beendigung der Käfighaltung einhalten und die entsprechenden Gesetze wieder auf die Agenda setzen. Sonst steht die Glaubwürdigkeit der europäischen Bürgerinitiative auf dem Spiel.