Bericht: Ausnahmezustand in Karlsruhe

Roman Huber berichtet vom gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Euro-Rettungsschirm (ESM) und Fiskalvertrag und meint: "Wir haben unser Thema in die Mitte der Gesellschaft gebracht."

Mit dem schönen Doppeldecker-Omnibus fahren wir zum Gericht in Karlsruhe. „Menschen für Volksabstimmung“ steht in großen Lettern auf den Seitenwänden. 200 Meter vor dem Gericht geht es nicht weiter, wir müssen an der Schranke aussteigen und zu Fuß zum Gericht gehen. Omen?! Vor und im Gerichtssaal ist die internationale Presse versammelt, ein Rummel, wie es ihn noch nicht gab vor diesem Gericht. Wir mitten drin. Dann die Urteilsverkündung, über eine Stunde lesen die Richter weite Passagen aus dem 80-seitigen Dokument vor. Wohlgemerkt: Es ist nur eine Entscheidung über die einstweilige Anordnung. Eine Entscheidung in der Hauptsache folgt noch. 

Was wir nicht erreicht haben:

1.      ESM und Fiskalvertrag sind nicht verfassungswidrig.

2.      Es wird keinen Volksentscheid über diese Verträge geben. 

Was wir erreicht haben:

ESM und Fiskalvertrag können so nicht ratifiziert werden. Bundestag oder Bundesregierung müssen zwei Auflagen zu Protokoll geben, die wichtige Punkte gegenüber den anderen Mitgliedstaaten völkerrechtlich verbindlich klarstellen. Das gab es in der Geschichte des Verfassungsgerichts noch nie. 

Vorbehalt A

Stammkapital von 190 Mrd. ist die absolute Haftungs-Obergrenze, sie darf auch nicht gerissen werden. Damit hat das Gericht drei wichtige Schlupflöcher gestopft, die wir moniert hatten. Wenn das Stammkapital erhöht werden soll, muss der Bundestag zustimmen.

Vorbehalt B

Kontroll- und Informationsrechte des Bundestags wurden gestärkt, es gilt nicht mehr die Unverletzlichkeit der Archive sowie die Immunität und Geheimhaltungspflicht der Bediensteten des ESM gegenüber dem Bundestag. Zudem wurde klargestellt, dass der ESM nicht bei der EZB Kredite aufnehmen darf, er bekommt also keine Banklizenz.

In der Hauptsache werden noch mindestens fünf weitere Punkte zur Sprache kommen, z.B. dass nicht nur der Finanzminister, sondern auch das deutsche ESM-Direktoriumsmitglied  gegenüber dem Bundestag weisungsgebunden und rechenschaftspflichtig sein muss. Wir hoffen auch, dass sich das Gericht in der Hauptsache über die rote Linie äußern wird, ab der zwingend Volksentscheide über die weitere europäische Integration stattfinden müssen. Nach unserer Einschätzung stehen wir bereits mitten AUF dieser roten Linie. 

Das Gericht hat aber auch klargestellt, dass es nicht ständig den Ausputzer spielen kann und hat den Ball weit zurück ins Feld der Politik geschlagen… „das BVerfG darf seine (politische) Einschätzung nicht anstelle des Gesetzgebers stellen“… 

Fazit

Wir haben nicht erreicht, was wir wollten. Dennoch: die Klage hat sich gelohnt. Wir haben unser Thema in die Mitte der Gesellschaft gebracht. An der Demokratiefrage wird in Zukunft niemand mehr vorbeikommen. 

Der Blick in die Zukunft

Der Kampf wird weitergehen. Er wird politisch geführt werden müssen. Auch das Gericht sagt: "Nur als demokratisch legitimierte Rechtsgemeinschaft hat Europa eine Zukunft." Unsere Forderung nach Referenden und Volksentscheiden ist so wichtig wie nie zuvor. Wir wollen kein Europa der Finanzmärkte und Regierungen, wir wollen ein Europa der Parlamente und Bürger. Helfen Sie uns dabei. Wir werden dicke Bretter bohren müssen, das wird Jahre dauern. Das schaffen wir nur mit Ihrer Unterstützung.

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Für heute bleibt uns nur uns bei Ihnen zu bedanken, für Ihre großartige Hilfe und für Ihren Mut mitzumachen. Danke für die vielen kleinen und großen Spenden, ohne die wir nicht hätten arbeiten können. 

Herzlich grüßt Sie Ihr

Roman Huber

für das Mehr Demokratie Team

Wir halten Sie weiter auf dem Laufenden und berichten
spätestens wieder zum Verfahren in der Hauptsache.

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