Bericht vom Weltsozialforum 2007 in Kenia (2. Teil)

Roman Huber beschreibt den ersten Tag auf dem WSF 

<link http: www.mehr-demokratie.de external-link-new-window>1. Teil des Berichts
<link http: www.mehr-demokratie.de external-link-new-window>3. Teil des Berichts
<link http: www.mehr-demokratie.de external-link-new-window>4. Teil des Berichts

Heute am 20.01.2007 beginnt das WSF. Die Registrierung ist absolut problemlos, alles britisch geprägt wie bei allen amtlichen Vorgängen in Kenia: lange geordnete Warteschlangen, Formulare, Stempel. Jeder Teilnehmer bekommt ein Namensschild zum Umhängen mit Angabe aus welchem Land er kommt. Bemerkenswertes Detail daran: Der 'Batch' ist nicht nur an einer Kordel befestigt, wie auf den anderen WSFs, sondern an einer Perlenkette mit unterschiedlichen Mustern. 

Um den täglichen Transport vom Stadtzentrum zum Stadion außerhalb der Stadt zu organisieren, wende ich mich an den offiziellen WSF Transport Service. Erst wollen sie uns Transport Gutscheine für 50$ Dollar pro Person (!) verkaufen. Dann bin ich ganz schlau: Ich buche zusammen mit sechs Tansaniern einen Bus, der uns vier jeden Tag von unseren Appartements abholen soll. Ich gehe davon aus, dass die Tansanier wissen, wie es läuft hier in Afrika, wir hängen uns dran, machen einen Vertrag, alles miteinander kostet immerhin 3600 Schilling (ca. 40 Euro) für die ganze Woche. Ein guter Deal, wie ich meine, Arjen ist von vorne herein skeptisch. Wie es ausgeht, werdet ihr noch hören. 

Als alte WSF Profis lungern wir dann in der Nähe des Info-Standes mit den üblichen WSF-Tragetaschen herum, Berge von Taschen, nur eines fehlt, das Programm. Seit Stunden warten ehrenamtliche Helfer auf die Anlieferung der ersten druckfrischen Programme, damit sie in die Hängetaschen verpackt und verteilt werden können. Und tatsächlich: Um zwei Uhr kommt die Lieferung, wir sind in den Warteschlangen ganz vorne und ergattern die heißbegehrten Programme. Sie sind für die Planung der nächsten Tage unentbehrlich. Alle Workshops, Veranstaltungen und was sonst alles läuft, ist auf geballten 150 Seiten im A3 Format zu finden. Es gibt vier Einheiten à zweieinhalb Stunden, gefolgt von einer halben Stunde Pause, Beginn um 8:30 Uhr, Ende um 20:30 Uhr.

Danach beginnt die große Eröffnungsveranstaltung im Uhurupark mit viel Kultur, Ansprachen, bekannten Musikern und NGO Aktivisten aus ganz Afrika, verschiedensten Tänzen und toller Musik. Es waren meiner Schätzung nach aber höchstens 40.000 Menschen da, zum Schluss eher nur noch 25.000. Die Moderatorin ist eine Frau, powervolle Ausstrahlung, das ganze ist eh frauendominiert. Aber auch Chico Whitacker, der Father of WSF aus Brasilien, durfte kurz vorsprechen.

Die Ansprachen sind eher Aufforderungen zu Sprechgesängen (Another World is possible, Chanting) und parolenhaft (Bush out of the world). Gute Stimmung, die Sonne brennt herunter. Das ganze im Zentrum Nairobis neben Parlament, City Hall und unterhalb des Gesundheitsministeriums. Das Forum wird in Kenia medial ganz anders wahrgenommen, als z.B. in Indien. Jeden Tag sind Berichte in allen Tageszeitungen zu lesen. 

Ein Spruch, der bei mir hängen bleibt: "My heroes have always been killed". Viele Nonnen sind unterwegs, die Kirchen sehr präsent, kenianische Flaggen werden geschwenkt. Susanna Owiyo, eine phantastische Sängerin meinte: "We africans are blessed, we have a rich culture, we are energetic and despite poverty you see woman and man with a smile." (Wir Afrikaner sind gesegnet, wir haben eine reiche Kultur und sind voller Energie. Trotz aller Armut tragen Frauen und Männer ein Lächeln auf den Lippen). Genau das ist auf dieser Eröffnungsveranstaltung zu erleben. 

Auf dem Heimweg: Mir fallen mehr behinderte Menschen auf als in unseren Strassen, viele mit krummen Beinen, wohl Folge von Mangelernährung. Teilweise auch postkoloniales Verhalten: Ich werde auf der Strasse etwas devot gegrüßt: Good evening, Sir . Beim Einkaufen im Supermarkt wird der Überfluss an billigen Arbeitskräften sichtbar: Einer, der an der Kasse die Waren aufs Fliessband stellt, ein Kassierer, einer, der die Waren nach dem Fliessband in Plastiktüten packt. 

Bei der Zeitungslektüre fällt auf: Die Sterbeanzeigen zeigen fasst nur junge Gesichter. Schockierend. Das kann doch nicht sein. Im Reiseführer lese ich nach, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Kenia 48 Jahre (!) beträgt, mitunter wegen AIDS, ich hätte danach also nur noch acht Jahre zu leben.... Zusätzlich ungewöhnlich: In den Sterbeanzeigen werden bis zu vierzig Namen erwähnt, die ganze Verwandtschaft wird inklusive Berufen aufgezählt. Die Familie, die Clan- bzw. Stammeszugehörigkeit spielt eine viel stärkere Rolle hier in Kenia. 

Fazit des ersten Tages: Alles hat bestens geklappt, gut organisiert, von wegen Chaos, wie Reichel gestern prognostizierte. Wir freuen uns auf die Workshops, unsere eigenen sind morgen und übermorgen jeweils ab 17:30 Uhr terminiert, Gott sei Dank nicht schon um 8:30.

Teilen:
nach oben