Bericht vom Weltsozialforum 2007 in Kenia (3. Teil)

Roman Huber schildert seine Erlebnisse auf dem Weltsozialforum. 

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Um 7:30 stehen wir vor unserem Appartement und warten gespannt auf den teuer bezahlten WSF-Transport-Bus. Um es kurz zu machen: Er kam an diesem Tag nicht, er kam am nächsten nicht, er kam nie. Der Chef der sechs Tansanier, die mit uns abgeholt werden sollten, rief mehrfach das WSF-Transport-Team an und beschwerte sich fürchterlich, drohte dann zur Polizei zu gehen und zog eine beeindruckende Show ab. No effect. Wir verabschiedeten uns und nahmen ab sofort ein Matatu für ein Zehntel des Preises. 

Im Stadion angekommen, weitere Ernüchterung: Arjen und ich suchen bis Mittag insgesamt sechs verschiedene Workshops und finden entweder die Räume nicht, die sind einfach nicht markiert oder es gibt sie gar nicht oder es findet kein Workshop darin statt. Das Gerücht geht um, dass eine vorläufige (!), somit falsche Version des Programms gedruckt wurde, na super. Was läuft: Das riesige, eigene Zelt der Human Rights Aktivisten ist immer voll, sie sind bestens organisiert und machen ihr eigenes Ding, genauso die Kirchen. Langsam trudeln immer mehr Menschen auf dem Gelände ein. Viele Volunteers (Ehrenamtliche) stehen herum, sind total freundlich, wissen aber allesamt fast gar nix. Einer in Uniform zählt Sonya stolz seine Aufgaben auf: Er soll Sorge tragen, dass erstens alle einen Sitzplatz bekommen -> er stand in einem leeren Zelt mit 6000 Stühlen, dass zweitens alle Wasser haben -> man wird alle zehn Meter von Wasserverkäufern angesprochen, dass drittens es alle bequem haben....

Das war schon wieder lustig. 

Am Infodesk möchte ich mir in den folgenden Tagen dann auch die 3600 Schilling für die WSF-Transportgutscheine zurückerstatten lassen, ich frage zig (schwarze) Ehrenamtliche, sie schicken mich zu allen möglichen Plätzen, an denen meistens überhaupt gar nichts ist. Wenn ich dies beim Zurückkommen etwas vorwurfsvoll bemerke, stört sie das nicht im geringsten. Bevor sie sagen, dass sie nichts wissen schicken, sagen sie scheinbar einfach irgendwas. Ich glaube langsam gar nichts mehr, bleibe aber dran. Also verweisen sie mich auf ihren großen Boss. Der kommt dann auch in Gestalt einer ca. zwanzigjährigen (weißen) Kanadierin. Tja... Sie weiß Bescheid und ruft den WSF-Transport-Verantwortlichen Mwaura an.

Kurzer Exkurs: Manches in dem Bericht klingt vielleicht nicht ganz politisch korrekt . Hier begegnen einem in Gesprächen über die Misere Afrikas als K-Kontinent (K für Kriege, Korruption, Kriminalität und Krankheit) eine ganze Bandbreite von Erklärungen. Von der Position, Afrikaner seien in erster Linie Opfer von Sklaverei, Kolonialzeit und neoliberaler Ausbeutung bis hin zur Aussage (von Afrikanern selbst), Afrikaner hätten ihr heutiges Elend überwiegend selbst verschuldet, 40-50 Jahre Unabhängigkeit seien genug, um etwas aufzubauen. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen und ist komplexer.

Weiter auf dem WSF: Ich verabrede mich mit Mwaura. Er kommt nicht zum Treffpunkt. Da wird mir langsam klar, dass wir das Geld nicht zurückbekommen werden. Ich bleibe dennoch hartnäckig und betrachte es als Experiment. Mwaura kommt auch zu allen weiteren Treffpunkten nicht. Seine letzte Story war: er müsse Rücksprache mit Prof. Ojugi halten, dem (tatsächlich) over-all-Verantwortlichen des WSFs, nur er könne die Rückerstattung genehmigen. Das glaube ich gerne, da ich mittlerweile nicht der einzige bin, der sein Geld zurückfordert. Das ganze Nachhaken war für mich interessant, weil es das offizielle WSF-Transport-Angebot war. Aus so einem kleinen persönlichen Beispiel kann man durchaus Schlüsse auf die Gesamtorganisation ziehen. Wir haben unsere Transportgutscheine dann mit nach Hause genommen und werden einen offiziellen Brief an Prof. Ojugi schreiben.... *g* 

Ich habe hiermit die wesentlichen Nervgeschichten auf einmal berichtet, ab jetzt geht es positiv, zumindest aber nachdenklich weiter. 

Einschub: Die ganze Geschichte erzähle ich ja in der Rückschau, im Bericht ist heute der 21.01.2007, tatsächlich ist aber heute der 27.01.2007. Mittlerweile ist in meinem Internetcafe zum zweitenmal der Strom ausgefallen. Diesmal bin ich derjenige, der cool bleibt. Ich bin nämlich zwischenzeitlich in Mombasa an der Küste und die meisten meiner Internet-Nachbarn sind Moslems, sie regen sich erst auf, bis sie sich auf Allah ist groß besinnen und lachen. In den Stromausfallpausen führen wir heiße Religionsdiskussionen über das Christentum, den Koran und die Juden. Da fallen Sätze wie: Es waren keine sechs Millionen Juden, die im Holocaust umkamen. Als ich ihnen dann erzähle, dass ich persönlich KZs besucht habe und die herausgebrochenen Zähne und Haare gesehen habe, die Verbrennungsöfen etc. beeindruckt das einige nicht wirklich. Sie zeigten einen extrem tief verwurzelten Hass auf die Juden, nicht auf die Christen, denn wir Christen als eine Gemeinschaft des Buches (Bibel) stehen laut Koran unter Schutz. Beim Frauenthema wurde mir genau die untergeordnete Rolle der Frau gegenüber dem Mann erklärt. Ich fragte nach den Koransuren, in denen steht, was sie behaupteten, aber die wussten sie dann leider nicht so genau. Also verblieben wir, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, dann gäbe es Frieden auf der Welt.

Dann ging der Strom wieder an und ich schicke euch den nächsten Teil des Berichtes vom WSF 2007.

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