Gegen Krieg und Krisen. 
Mehr Demokratie wagen!

"Die vergangenen Jahrzehnte haben sich angefühlt wie eine Thermik der Hoffnung, ein lauer Aufwind, der – jedenfalls in Europa – die Hoffnung hat nach oben steigen lassen. Es war eine Stimmung, als hätte die Menschheit das Schlimmste eigentlich hinter sich..."

Auszug aus der Eröffnungsrede von Ralf-Uwe Beck zur Bundesmitgliederversammlung am 14.05.2022 in Berlin.

Der Krieg galt als alte Karosse, mit der noch meine Großeltern unterwegs waren, meine Eltern auf dem Rücksitz. Diese Karosse stand hinterm Haus, dem Haus Europa, von hohem Gras überwuchert, und hat vor sich hin gerostet. Diese Karosse hat Putin hervorgezerrt und wieder in Gang gesetzt. Der historische Höhenflug Europas in Richtung „alles wird irgendwie besser“ ist damit ins Trudeln gekommen, manche Hoffnung ist bereits abgestürzt. Und schon ziehen die Gespenster des Kalten Krieges wieder auf: Aufrüstung, die Gefahr eines Atomkrieges, das Unversöhnliche.

Was geht uns das bei Mehr Demokratie an? Frieden, soziale Gleichheit, Natur- und Klimaschutz sind Staatsziele. Und alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. So steht es im Grundgesetz. Aber wie kommt zustande, was für uns und über uns beschlossen wird? Was ist der Staat, wessen ist der Staat? Und wie fühlen wir uns in ihm? Als Steuerzahlerin und Steuerzahler oder als Bürgerin und Bürger? Und was brauchen wir, damit wir uns dabei gut fühlen? Welche Erwartung verbindet sich damit und wer erwartet hier was und von wem? Ist der Staat für den Bürger da oder der Bürger für den Staat? Das sind die Fragen, die uns bewegen.

Nach einem Beratungs-Wochenende im Kanzleramt verspricht der Kanzler, die verkündete Zeitenwende mit 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zu untersetzen. Was hat das mit uns zu tun? Ganz einfach, es ist unser Geld. Da sind wir mitten in der Spannung zwischen Bürgerin und Steuerzahlerin. Es sind 100 mal 1.000 Millionen Euro. Eine Schule kostet eine Million Euro. Von dem Geld könnten also 100.000 Schulen gebaut oder eine vielfache Anzahl saniert werden. Das ist nur ein Rechenbeispiel. Wie wäre es, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit im Verhältnis zu den 100 Milliarden anzuschauen? Das ist nur ein Hinweis. Es müssen nicht wirklich Alternativen sein. Und Mehr Demokratie muss sich damit auch nicht beschäftigen. Aber dass es nicht oder wie es besprochen wird, das ist ein Thema für uns.

Die Regierung verkündet die Zeitenwende, der Bundestag debattiert, die Opposition schämt sich nicht einmal, auch den Krieg noch parteipolitisch auszuschlachten – und uns bleibt nichts anderes, als heute den einen offenen Brief zu unterschreiben und zwei Tage später den anderen?

Als in der Schweiz das Parlament beschlossen hatte, Milliarden Franken für den Kauf neuer Bomber auszugeben, gab es ein fakultatives Referendum. Ergebnis: Das Geld bleibt in der Kasse. Vielleicht würde dies heute unter dem Eindruck des Krieges anders ausgehen. Aber debattiert wurde die Entscheidung und alle konnten darüber abstimmen. Uns aber fehlt diese Einflussmöglichkeit. Es fehlt der bundesweite Volksentscheid, es fehlt der Volkseinwand.

Der Krieg ist eine Ratte, die sich durch alles frisst, vor der nichts sicher ist. Und sie zieht einen langen Rattenschwanz hinter sich her. Was hieße die vollständige Unabhängigkeit von fossiler Energie aus Russland? Einschnitte, ganz bestimmt. Die sind uns nicht zuzumuten, meint die Regierung. Dazu sagt der ZEIT-Journalist Bernd Ulrich: „Gut zu wissen, was die Regierung so über die Bürgerinnen und Bürger denkt. Wäre die Situation nicht jetzt die Steilvorlage für ein Energiesparprogramm? Die Düngemittelproduktion verschlingt Unmengen an Gas. Wie wäre es mit dem Gegenprogramm und dem Ausbau des ökologischen Landbaus und wegen der Ertragseinbußen wagen wir endlich den Einstieg in den Ausstieg aus der Massentierhaltung. Jetzt wäre es Zeit für ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung – wie in Frankreich. Zeit für ein generelles Tempolimit. Die Mehrheit der Deutschen hat das gerade vor dem Hintergrund des Krieges längst verstanden.“

Uns nicht zumutbar? Das hat die Vorgängerregierung bei ihrem Klimapaket auch vorgeschoben, um dann, gedrängt vom Bundesverfassungsgericht, nachbessern zu müssen. Was uns zumutbar ist, wenn es darum geht, aus der Kriegsmisere herauszukommen, das wäre erst noch zu ermitteln. Hier wäre ein Bürgerrat hilfreich. Er kann dann politische Gestaltungsfreiräume erschließen, wenn es auszuloten gilt, wozu wir bereit und fähig sind, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen.

Dabei ist, was wir erleben, erst der Anfang. Neben dem Krieg gibt es ein halbes Dutzend weitere Krisen: das Artensterben, den Klimawandel, Pandemien, Hunger, Fluchtbewegungen. Diese Krisen werden sich nur mit mehr Demokratie bewältigen lassen. Nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Wie denn auch sonst. Das ist sehr wohl unser Thema. Schließlich setzen wir auf eine starke direkte Demokratie und auf ein Wahlrecht, das uns nicht nur das Gefühl vermittelt, tatsächlich eine Wahl zu haben.

Es liegt also auch an uns, wie es weitergeht mit diesem Land und überhaupt.

 

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