Bundestag entsorgt Bürgerbeteiligung

20/05

Mehr Demokratie kritisiert Ratifizierung der EU-Verfassung im Bundestag / Unterschriften für Referendum landen im Papierkorb

Die Bürgeraktion Mehr Demokratie hat die Ratifikation der EU-Verfassung im Bundestag und den Verzicht auf ein Referendum scharf kritisiert. Der Verein übergab dem Parlament am heutigen Donnerstag 21.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung zur Verfassung. Die Debatte im Plenum begleitete Mehr Demokratie mit einer Protestaktion vor dem Reichstag, bei der die Forderung nach einer Beteiligung der Bürger symbolisch "entsorgt" wurde.

 

"Heute wurde eine große Chance vergeben, Europa von einer Sache politischer Eliten zu einer Angelegenheit der Bürger zu machen", erklärte Mehr Demokratie-Vorstandssprecher Gerald Häfner. Dem Parlament warf er vor, mit dem Verzicht auf ein Referendum erneut die Bürger unseres Landes für unmündig erklärt zu haben. "Mehr als drei Viertel der Bevölkerung haben sich für eine Volksabstimmung ausgesprochen. Sie wäre in diesem Fall politisch durchsetzbar gewesen. Das zeigen auch die Abstimmungen in fast allen unseren Nachbarländern." Der Bundestag habe sich bewusst entschieden, die Bürger bei dieser Entscheidung außen vor zu lassen.

 

"Verfassungen sind in der Demokratie Sache der Bürger und nicht nur der politischen Institutionen", erklärte Mehr Demokratie-Sprecher Gerald Häfner. Erst recht, wenn, wie mit der EU-Verfassung, Souveränitätsrechte, die nach dem Grundgesetz Rechte des Volkes sind, an supranationale Institutionen abgegeben werden, müssten die Bürger beteiligt werden. Das Aussperren der Bürger bedeute auch eine schwere Hypothek für Europa. Denn wir bräuchten dringend ein Europa der Bürger und nicht eines der Wirtschaft und begrenzter politischer Eliten.

 

"Ohne Bürger kann Europa nicht gebaut werden. Ohne Bürger stirbt Europa!", erklärte Häfner.

 

Zur Ratifikation hatte Mehr Demokratie am heutigen Donnerstag dem Bundestag mehr als 21.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung über die Europäische Verfassung übergeben. Nicht nur ein Referendum wird auf den Unterschriftenlisten gefordert, sondern auch die Verankerung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden im Grundgesetz. Die Listen waren entsprechend dem Herkunftsort der Unterzeichner nach Wahlkreisen sortiert worden. Jeder Abgeordnete erhielt so die Unterschriften der Bürger aus seiner Heimatregion.

 

Die parlamentarische Ratifikation der Verfassung begleitete der Verein mit einer Protestaktion vor dem Berliner Reichstag: Mehr Demokratie-Mitglieder, die Masken mit den Gesichtern von Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Angela Merkel und Edmund Stoiber trugen, nahmen die Forderung nach einem Europa-Referendum entgegen und warfen sie in einen blauen Altpapiercontainer. Die Bürgerbeteiligung, die der Bundestag im Fall der EU-Verfassung wiederholt abgelehnt hatte, wurde damit symbolisch entsorgt.

 

Zweimal hatte der Bundestag einen Antrag der FDP für ein EU-Referendum verhindert, zuerst im November 2003, dann erneut im April dieses Jahres. In beiden Fällen hatten CDU/CSU, SPD und Grüne beinahe geschlossen mit Nein gestimmt, nur die PDS hatte den Vorschlag unterstützt. Einen eigenen Gesetzentwurf für bundesweite Volksabstimmungen und ein EU-Referendum hatte Rot-Grün entgegen vorheriger Ankündigungen nicht im Parlament eingebracht.

 

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