Europaweites Vorbild: Isländer stimmen über Verfassungsinhalte ab

[48/12] Referendum am 20. Oktober: Von der „Küchenzeug-Revolution“ zur Bürgerverfassung

Am Samstag (20. Oktober) befragt Islands Regierung die Bürgerinnen und Bürger per Referendum, wie ihre neue Verfassung ausgestaltet werden soll. In einem sogenannten ratgebenden Volksentscheid werden den Menschen sechs Fragen zum Verfassungsentwurf gestellt, den ein direkt gewählter Bürgerkonvent ausgearbeitet hat. Nach der Auswertung des unverbindlichen Referendums berät das Parlament erneut. Mehr Demokratie geht davon aus, dass abschließend die neue Verfassung als Ganzes dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird.

„Island hat gelernt und wir können von Island lernen“, sagt Ralf-Uwe Beck, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. Etliche Versuche einer Verfassungsgebung seien im Parlament an parteipolitischen Fronten gescheitert. „Ein wirklicher Neuanfang kann nur mit den Bürgerinnen und Bürgern gelingen.“ Der Prozess von Planungszellen über einen direkt gewählten Konvent bis hin zur Volksabstimmung sei vorbildlich für andere europäische Länder und vor allem für die EU als Ganzes. „In Island zeigt sich, wie die Idee der Bürgergesellschaft zu verstehen ist“, so Beck. Ein solcher Prozess sei auch ein Mittel gegen die Entfremdung der Menschen vom eigenen Staat.

Bemerkenswert an der Entstehung des isländischen Verfassungsentwurfs ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger über den gesamten Prozess hinweg. Am Anfang stand eine von der Regierung einberufene, repräsentativ zusammengesetzte Planungszelle von rund 1.000 Menschen, die in kleinen Gruppen Ideen für die neue Verfassung zusammentrugen. Ein von Bürgerinnen und Bürgern gewählter 25-köpfiger Konvent (Verfassungsrat) hatte die Aufgabe, aus rund 700 Seiten mit Vorschlägen einen Verfassungsentwurf zu destillieren – im Konsensprinzip, öffentlich tagend und unter Einbeziehung von Facebook, Twitter, Youtube und anderen Kanälen. „Das Internet bietet gerade bei der Entwicklung von Gesetzen oder Verfassungen einen Raum für kreative Experimente“, meint Beck. „Wichtig ist dabei, dass die Bürgervorschläge wirklich etwas bewirken und am Ende verbindliche direktdemokratische Entscheidungen stehen.“

Kritisch sieht Mehr Demokratie, dass dem Konvent nur vier Monate Zeit für seine Arbeit gegeben waren. Für ähnlich gewichtige Prozesse sollte ausreichend Zeit sein. Dennoch: „Das isländische Demokratieexperiment ist ein wertvoller Impuls. Die Rückkopplung der politischen Klasse an die Bevölkerung kann neue Wege aus der Krise aufzeigen – das sollten sich auch die europäischen Eliten vor Augen halten.“ Mehr Demokratie plädiert deshalb für einen direktgewählten Konvent auf europäischer Ebene, der mit genügend Zeit und unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger Vorschläge für die Zukunft der EU vorlegt, über die dann per Volksentscheid abgestimmt wird.

Bei dem Referendum am 20. Oktober wird sich auch entscheiden, ob die Menschen zukünftig direktdemokratische Instrumente in ihrer Verfassung wünschen. So sieht der vom Verfassungsrat ausgearbeitete Entwurf Volksbegehren vor, mit denen Gesetzentwürfe des Parlamentes vom Volk überprüft werden und auch eigene Initiativen gestartet werden können.

Hintergrund-Informationen, Zahlen, Fakten zum Verfassungs-Referendum:<link>

www.mehr-demokratie.de/presse-hintergrund.html

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