Mehr Demokratie: Volksentscheide mindern Demokratiefrust

[53/08] Datenreport 2008: Deutsche kritisieren demokratische Praxis

 

Die Bundesbürger sind unzufrieden mit der Ausgestaltung der Demokratie im eigenen Land. Das ergab der Datenreport 2008, in den über längere Zeiträume erhobene Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes und sozialwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen einfließen.

 

Zwar sehen 89 Prozent der Westdeutschen und 63 Prozent der Ostdeutschen die Demokratie als die beste Staatsform an. Das tatsächliche Funktionieren der Demokratie in Deutschland sehen die Bundesbürger allerdings kritisch. Die 2005 gemessenen Werte von 5,2 in West- und 3,9 in Ostdeutschland bezeichnen die Herausgeber des Reports als besorgniserregend niedrig. Auch der nach Bundestagswahlen übliche Anstieg der Zufriedenheit sei nach 2005 ausgeblieben.

 

"Der Report bestätigt, was wir schon lange vermutet haben", sagt Gerald Häfner, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. "Ein beträchtlicher Teil der Bürger fühlt sich angesichts der in Deutschland herrschenden Zuschauerdemokratie frustriert." Der Ärger über die demokratische Praxis ist laut Datenreport sogar noch größer als der über das seit Jahren nicht gestiegene Haushaltseinkommen und die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen.

 

Besonders unzufrieden sind Arbeitslose sowie Personen mit geringem Einkommen und Bildungsgrad. Diese Tatsache sei vor allem auch auf ein Gefühl der Machtlosigkeit zurückzuführen, sagt Häfner. "Gerade Menschen in prekären Lebensumständen haben die Wahrnehmung, dass die Politik gegen die Dominanz der Wirtschaft nichts ausrichtet und insofern auch ihre Interessen nicht vertritt. Die Finanzkrise dürfte dieses Ohnmachtsgefühl noch verstärken."

 

Die Demokratieverdrossenheit werde erst dann abnehmen, wenn politische Entscheidungen wieder näher bei den Menschen getroffen werden, so Häfner. "Die Bürger fühlen sich von den Politiker nicht ausreichend gut vertreten. Deshalb macht es Sinn, Ihnen durch die direkte Demokratie Instrumente in die Hand zu geben, mit denen sie in politischen Sachfragen selbst aktiv werden können."

 

In Gemeinden und Ländern ist die direkte Mitbestimmung über Bürger- und Volksbegehren bereits möglich. "Und dort wo die Verfahren fair ausgestaltet sind, etwa in Berlin, boomt die direkte Demokratie", sagt Häfner. Die Bürger auf Kommunal- und Landesebene einzubeziehen, ist zwar wichtig, genügt aber nach Ansicht des Vereins nicht. "Gerade bei großen Themen wie sozialer Gerechtigkeit, ökologischen Fragen oder einem gerechten Steuersystem sollten die Bürger etwas mitzureden haben." Mehr Demokratie fordert deshalb die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden auch auf Bundesebene und wird 2009 eine bundesweite Kampagne zu diesem Thema starten.

 

 

Weitere Informationen zum Datenreport 2008: www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/

 

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