Bundeswahlrecht: CDU/FDP-Entwurf zementiert Verzerrung des Wählerwilles

[49/11] Anhörung vor dem Bundestag: Mehr Demokratie für Mehrmandatswahlkreise

Der schwarz-gelbe Gesetzentwurf zur Reform des Bundeswahlrechts würde nach Einschätzung des Vereins Mehr Demokratie die Verzerrung des Wählerwillens nicht abschaffen, sondern verschlimmern. Das geht aus der Stellungnahme von  Tim Weber zur heutigen Anhörung vor dem Bundestag hervor. Der CDU/FDP- Gesetzentwurf schließe das vom Bundesverfassungsgericht 2008 für unzulässig erklärte negative Stimmgewicht nicht aus. Zudem lasse er das Problem der Überhangmandate – eine Ursache des negativen Stimmgewichts – unangetastet.

„Das Bundesverfassungsgericht hat kritisiert, dass es nach der aktuellen Gesetzeslage lohnend sein kann, seine bevorzugte Partei nicht zu wählen“, so Weber. „Der Vorschlag von CDU und FDP steigert die Absurdität noch: Würde er umgesetzt, wäre es sinnvoll, gar nicht zur Wahl zu gehen, um der bevorzugten Partei zu nützen.“ So hätte es beispielsweise der Linken in Bayern genützt, wenn rund 12.000 ihrer Anhänger dort erst gar nicht zur Wahl gegangen wären.

Der Gesetzentwurf der SPD verhindert das negative Stimmgewicht zwar praktisch, indem er Überhangmandate ausgleicht, führt aber zu einem viel größeren Bundestag. Der Grünen-Entwurf will Überhangmandate einer Partei in einem Bundesland mit Listenmandaten derselben Partei einer anderen Bundeslands verrechnen. Dieser Entwurf kann allerdings auch dazu führen, dass erzielte Direktmandate gar nicht zugeteilt werden, etwa wenn in Bayern die CSU Überhangmandate erzielt. Am besten bewertet Mehr Demokratie den Gesetzentwurf der Linken, der die Entwürfe von SPD und Grünen kombiniert.

„Am sinnvollsten wäre allerdings die Vermeidung der Überhangmandate, denn dadurch würde automatisch auch das Problem des negativen Stimmgewichts gelöst“, sagt Weber. Möglich wäre das durch die Einführung von Mehrmandatswahlkreisen, also die Möglichkeit, in jedem Wahlkreis mehrere Abgeordnete direkt zu wählen. „Mehrmandatswahlkreise würden den Wählern größeren Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Parlamente geben und Überhangmandate nahezu ausschließen.“ Statt 299 Wahlkreise mit einem Direktmandat könnte es nach diesem Modell etwa 70 größere Wahlkreise geben, in denen jeweils fünf Mandate vergeben werden. Der tatsächliche Wählerwille würde dadurch besser abgebildet, taktische Wahlabsprachen dagegen würden erschwert.

Die jetzt vorgelegten Gesetzentwürfe zur Wahlrechtsreform seien Schönheitsreparaturen, fasst Weber zusammen. „Um das Wahlrecht langfristig fair und durchschaubar auszugestalten, wird sich aber eine Generalüberholung nicht vermeiden lassen.“

Thesenpapier und Stellungnahme von Mehr Demokratie zum Bundeswahlrecht:

www.mehr-demokratie.de/presse-hintergrund.html

 

Teilen:
nach oben