Direkte Demokratie im Test: Volksentscheids-Ranking 2013

[35/13] Fachverband vergibt Noten für Regelungen der direkten Demokratie in den Bundesländern

Mehr Demokratie veröffentlicht heute ein neues Volksentscheids-Ranking, das die gesetzlichen Regelungen der direkten Demokratie auf Landes- und Kommunalebene vergleicht und Noten vergibt. „In allen Ländern gibt es die direkte Demokratie, aber sie ist nicht in allen in guter Verfassung. Immerhin aber ist ein Reformkarussell in Gang: Vor allem auf kommunaler Ebene übernehmen die Länder bewährte Regeln. Die direktdemokratischen Instrumente werden zunehmend nutzbarer“, so Ralf-Uwe Beck, Mehr Demokratie-Bundesvorstandssprecher.

Das Ranking ergebe, dass mittlerweile in sieben der Bundesländer Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene bürgerfreundlich geregelt seien. Auf Landesebene könnten Volksbegehren und Volksentscheide jedoch nur in drei Ländern – Hamburg, Bremen und Bayern – als bürgerfreundlich gelten. Demgegenüber sei das Instrument in Hessen, dem Saarland und Baden-Württemberg aufgrund hoher Hürden so gut wie nicht nutzbar. „Die direkte Demokratie muss von zu hohen Hürden befreit werden, damit sie ihre Wirkung entfalten kann. Hier beweist sich, ob den Bürgerinnen und Bürgern mit Vertrauen und Respekt begegnet wird“, so Beck.

In der Platzierung gegenüber 2010 haben sich Schleswig-Holstein und Bremen stark verbessert. In Schleswig-Holstein gab es eine umfassende Reform auf Kommunalebene, angestoßen durch eine Volksinitiative von Mehr Demokratie und einem Bündnis. Das nördlichste Bundesland rückte damit aus dem Mittelfeld auf den Platz 4-5 auf, den es sich mit Thüringen teilt. Auch in Bremen wurde ein großes Reformpaket auf Kommunal- und Landesebene verabschiedet, mit dem der Zwei-Städte-Staat sich von Platz 5 auf Platz 3 vorgearbeitet hat. Bisher einmalig ist hier die Einführung eines bedingt obligatorischen Referendums in Verbindung mit einem fakultativen Referendum bei künftigen Verkäufen öffentlichen Eigentums. In Bremerhaven wurden durch eine Erweiterung der zulässigen Themen und die Senkung der Quoren bei Bürgerbegehren und -entscheiden ebenfalls Verbesserungen erzielt. Spitzenreiter sind Bayern (2) und Hamburg (1). Die Hansestadt konnte damit den Spitzenplatz halten. Gründe sind die Weite der zulässigen Themen, relativ geringe Hürden und auch ein hoher Bestandsschutz von Volksentscheiden.

Die Schlusslichter bilden das Saarland und auf dem letzten Platz Baden-Württemberg. Im Saarland wurde im Mai dieses Jahres eine Reform verabschiedet und so die Quoren für Volksbegehren und Volksentscheid gesenkt sowie das Finanztabu gelockert. Zugleich aber wurden einige Erschwernisse für die Volksgesetzgebung nun in der Verfassung verankert und damit zementiert: So ist es nicht möglich, die Vorschriften zum Gesetzgebungsverfahren per Volksentscheid zu ändern. In der Gesamtsicht sind die Verbesserungen also nur marginal. In Baden-Württemberg bleibt abzuwarten, ob der Reformstau aufgelöst werden kann.

Reformen kündigen sich auch in Nordrhein-Westfalen an. Eine neu eingesetzte Verfassungskommission befasst sich unter anderem mit der Neuregelung der Volksgesetzgebung.

Einen großen Einbruch gibt es in Berlin: Das Bundesland rutscht von Platz 2 auf Platz 6 ab. Hier ist auch der Umgang des Senats mit der direkten Demokratie bewertet worden. Das politische „Foulspiel“ des Berliner Senats schlägt negativ zu Buche: Dieser legte den Abstimmungstermin für den Volkentscheid „Neue Energie für Berlin“ auf den 3. November 2013 und nicht auf die Bundestagswahl, offensichtlich mit dem Kalkül, dadurch die Beteiligung gering zu halten. Nach der Abstimmung über „Pro Reli“ geschieht dies zum zweiten Mal. In Berlin gilt ein Zustimmungsquorum von 25 Prozent. Durch das Auseinanderziehen von Wahl- und Abstimmungstermin sinken die Chancen, dieses Quorum zu überwinden.

Den größten Entwicklungsbedarf sieht Mehr Demokratie auf Bundesebene. Hier müsse sich die neue Regierung endlich der Aufgabe stellen, bundesweite Volksentscheide einzuführen. Von den nunmehr im Bundestag vertretenen Parteien verweigere dies nur die Union. „Den Bürgerinnen und Bürgern wird auf Kommunal- und auf Landesebene ein Mitbestimmungsrecht zugestanden, aber auf Bundesebene sollen sie Zaungäste der Politik bleiben. Diese Schieflage ist aus Bürgersicht nicht akzeptabel.“ Daran, ob die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen im Koalitionsvertrag vorgesehen werde, werde sich zeigen, was die neue Regierung von den Bürgerinnen und Bürgern hält.

Mehr Demokratie hat bisher in den Jahren 2003, 2007 und 2010 Rankings veröffentlicht.

Teilen:
nach oben