Drohende "Berlusconisierung"

11/06

Hamburger CDU will Wahlrecht kippen / Mehr Demokratie plant neue Volksinitiative

Hamburgs CDU will erneut ein vom Volk beschlossenes Gesetz kippen. Diesmal soll das erst im vergangenen Jahr per Volksabstimmung verabschiedete neue Wahlrecht der Hansestadt grundlegend umgestaltet werden. Ein Arbeitskreis der Christdemokraten gab der Novelle gestern den letzten Schliff, am kommenden Montag soll die Bürgerschaftsfraktion das Gesetz absegnen. Im Parlament will die CDU ihr neues Wahlrecht im Eilverfahren noch vor der Sommerpause durchsetzen - auch gegen den Widerstand der Opposition. Die Initiative Mehr Demokratie verurteilte das Vorgehen als "zutiefst undemokratisch" und "Ausdruck der Arroganz der Macht". Sollte die Wahlrechtsreform wie geplant umgesetzt werden, werde man dagegen eine Volksinitiative einleiten, kündigte Vorstandssprecherin Claudine Nierth an.

 

"Ole von Beust rüttelt an den Grundfesten der Demokratie", sagte Nierth. "Mit aller Macht will er ein Wahlrecht installieren, das der Hamburger CDU auf den Leib geschneidert ist. Er ignoriert den Wählerwillen, hat Kritiker in den eigenen Reihen zum Schweigen gebracht und bricht das ungeschriebene Gesetz, nach dem Wahlrechtsreformen nur im Konsens mit der Opposition vorgenommen werden. Wir lassen uns das nicht bieten und werden Widerstand leisten."

 

Das derzeit geltende Wahlrecht, das den Wählern mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments gibt, war nach einem erfolgreichen Volksbegehren von Mehr Demokratie am 13. Juni 2005 per Volksentscheid beschlossen worden. Es beinhaltet die Aufteilung Hamburgs in 17 Wahlkreise, in denen 71 von insgesamt 121 Abgeordneten der Bürgerschaft direkt gewählt werden. Die restlichen 50 Mandate werden über Landeslisten der Parteien vergeben, wobei den Wählern jeweils fünf Stimmen zur Verfügung stehen, die sie beliebig verteilen können ("Kumulieren und Panaschieren").

 

Die CDU will den Einfluss der Wähler jetzt wieder begrenzen. Das Kumulieren und Panaschieren soll wieder abgeschafft werden. Bei der Bestimmung der Direktkandidaten in den Wahlkreisen soll es eine Relevanzschwelle, die so genannte österreichische Mauer, die es schwerer macht, Kandidaten von hinteren Listenplätzen nach vorn zu wählen. Änderungen am Wahlrecht zu den Bezirksversammlungen sollen ebenfalls rückgängig gemacht werden.

 

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