ESM-Urteil: Bundestag gestärkt – Bürger bleiben weiter außen vor

[10/14] Urteil zu ESM und Fiskalvertrag heute verkündet

Heute hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe sein abschließendes Urteil zu der von Mehr Demokratie initiierten Bürgerklage zu ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) und Fiskalvertrag verkündet. Die Klage wurde von 37.000 Bürgerinnen und Bürgern getragen und im Jahr 2012 eingereicht. Anlass für die Beschwerde war die zunehmende Entmachtung nationaler Parlamente und die Übertragung von Souveränitätsrechten weg vom Bundestag auf Institutionen wie den ESM, die jedoch kaum demokratisch legitimiert oder kontrolliert sind.

Zum ESM und Fiskalvertrag hatten die Richter wie erwartet im Wesentlichen ihr Urteil vom September 2012 bestätigt. „Das Urteil bringt keine Überraschungen, es stärkt die Beteiligungsrechte des Bundestags, dieser muss dann aber auch seine Rechte verantwortlich wahrnehmen“, so der von Mehr Demokratie beauftragte Staatsrechtler Prof. Christoph Degenhart. Das Verfahren habe eine breite Debatte angestoßen. Das Gericht habe jene Transparenz geschaffen, die im Bundestag bisher gefehlt habe.

„Nach so langer Beratungszeit durch das Gericht“, ergänzt Prof. Herta Däubler-Gmelin, „haben viele Bürgerinnen und Bürger jedoch erwartet, dass ihr Mitspracherecht in Fragen der europäischen Integration wenigstens angesprochen wird: Wo die Gestaltungsmöglichkeit der nationalen Parlamente schrumpft, muss die des Europäischen Parlaments erweitert werden. Das folgt aus den Grundsätzen der deutschen Verfassung ebenso wie aus den europäischen Verträgen. Hierzu hat sich das Gericht leider nicht geäußert.“ Däubler-Gmelin hatte gemeinsam mit Degenhart die Bürgerklage vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.

„Nach wie vor fehlt also eine rote Linie, die markiert, wann die Bevölkerung selbst entscheiden muss, ob Souveränitätsrechte abgegeben werden und damit der Bundestag seine Rechte selbst beschneidet“, erläutert Roman Huber, Geschäftsführender Vorstand von Mehr Demokratie. Der Fachverband fordert in diesem Zusammenhang seit langem, dass bei zukünftigen Souveränitätsübertragungen an die EU grundsätzlich die Wählerinnen und Wähler über obligatorische Referenden direkt mit einbezogen werden. Dafür muss der Artikel 23 des Grundgesetzes geändert werden. Eine weitere Forderung ist die Einrichtung eines direkt gewählten, gesamteuropäischen Bürgerkonvents, dessen Aufgabe es sein soll, die Zukunft Europas mitzugestalten. Die Bürgerklage richtete sich entsprechend nicht gegen ESM und Fiskalvertrag an sich, sondern wollte durchsetzen, dass grundlegende Entscheidungen zusätzlich demokratisch von den Bürgerinnen und Bürgern legitimiert werden.

Offen ist nun noch die Frage der Bewertung des OMT-Programms (Outright Monetary Transactions) der EZB: Im Februar 2014 hatte das Gericht zentrale Fragen hierzu abgetrennt und an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen. Das Programm sieht vor, dass die EZB Staatsanleihen von überschuldeten Euro-Staaten in unbegrenzter Höhe kaufen kann. Die Richterinnen und Richter gehen davon aus, dass die EZB mit diesem Programm ihre Kompetenzen und ihr Mandat überschritten habe (Ultra-Vires-Akt).

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