Europäische Bürgerinitiative fordert Verhandlungsstopp bei TTIP und CETA

[19/14] EBI-Registrierung am 15. Juli 2014 – Kritik: mangelnde demokratische Beteiligung und Aushöhlung von Standards

Am heutigen Dienstag (15. Juli) hat die 47. Europäische Bürgerinitiative (EBI) ihren Antrag auf Registrierung bei der Europäischen Kommission gestellt. Die Initiative „Stop TTIP“ fordert die EU-Kommission auf, dem EU-Ministerrat zu empfehlen, das Verhandlungsmandat über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) aufzuheben und auch das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) nicht abzuschließen. Hinter der Initiative stehen knapp 150 Organisationen aus 18 EU-Mitgliedsländern. In Deutschland koordinieren die Organisationen Attac, Campact, BUND, Mehr Demokratie e.V., das Umweltinstitut München und der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) die EBI. Auch Brot für die Welt, der Deutsche Kulturrat und die GEW gehören dem stetig wachsenden Bündnis an.

„Im Zentrum unserer Kritik steht der demokratiepolitische Aspekt der geplanten Abkommen: Es werden hinter verschlossenen Türen Regeln beschlossen, die weitreichende Folgen für über 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den 28 Mitgliedstaaten haben. Dagegen wehren wir uns“, so Michael Efler, Vertreter des Bürgerausschusses der Bürgerinitiative und Vorstandssprecher des Bundesverbands Mehr Demokratie e.V. Besonders kritisch sieht er
die geplanten Regelungen zum Investitionsschutz, mit denen ausländischen Investoren weitreichende Schutzrechte eingeräumt werden, die sie gegenüber Staaten in Schiedsverfahren (englisch: Investor-state dispute settlement, ISDS) durchsetzen können. Verabschiede beispielsweise ein nationales Parlament ein Gesetz, das Investitionen und Gewinne eines Konzerns beeinträchtigt, hätte dieser das Recht zu klagen – und zwar nicht vor einem öffentlichen Gericht, sondern vor einem vertraulich tagenden Schiedsgericht. Demokratisch legitimierte Entscheidungen und rechtsstaatliche Verfahren würden damit ausgehebelt. „Gefährlich sind auch die Pläne zur regulatorischen Kooperation, die ebenfalls eine Einschränkung der demokratischen Kontrolle bewirken. Konkret: Es soll eine Art Frühwarnsystem bei geplanten handelsrelevanten Gesetzen oder Regulierungen eingerichtet werden, das es  Vertragspartnern und Lobbyisten ermöglicht, noch vor dem parlamentarischen Prozess ihre Interessen zu platzieren. Unerwünschte Regulierungen, die den Marktzugang erschweren, könnten damit verhindert werden“, erläutert Efler weiter.

John Hilary, Direktor der britischen Organisation War on Want und ebenfalls Mitglied des Bürgerausschusses, führt weiter aus: „Das TTIP-Abkommen darf nicht als Verhandlung zwischen zwei konkurrierenden Handelspartnern EU und USA verstanden werden. Vielmehr handelt es sich um den gemeinsamen Versuch von transnational agierenden Großkonzernen, die Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks aufzubrechen. Dies geschieht  auf Kosten des Verbraucherschutzes, der Lebensmittelsicherheit, der Umweltvorschriften, der Sozialstandards, der Verordnungen zum Gebrauch von Giftstoffen oder auch der Regeln zur Bankensicherheit.“ Auch sollten Ausschreibungen für öffentliche Dienstleistungen für Bewerbungen von transnationalen Unternehmen geöffnet werden. „Ein greifbares Beispiel sind die verschiedenen Prinzipien des Verbraucher- und Umweltschutzes, die in den USA und in der EU gelten“, führt Hilary aus. „Das in der EU geltende Vorsorgeprinzip sorgt für strenge Regelungen beispielsweise bei der Chemikalienzulassung. Durch das TTIP könnte ein Konzern das Recht erhalten, sein Produkt in den USA registrieren zu lassen und anschließend auf dem europäischen Markt zu platzieren.“ Auf den US-Märkten gelte das sogenannte Nachsorgeprinzip. Das bedeute, erst wenn die Schädlichkeit eines Produkts explizit nachgewiesen sei, werde es wieder vom Markt genommen. Die Zulassungshürden seien also zu Beginn niedriger, so Hilary abschließend.

Susan George, Präsidentin des Verwaltungsrates des Transnational Institute in Amsterdam (TNI) und Ehrenpräsidentin von Attac ist ebenfalls Mitglied des Bürgerausschusses der EBI. Sie erläutert, dass bereits hunderte von bilateralen und plurilateralen Handels- und Investitionsabkommen unterzeichnet worden seien. TTIP sei jedoch besonders gefährlich weil es seit 20 Jahren von transnationalen Konzernen geplant werde. Diese Großkonzerne hätten den Inhalt mitbestimmt und seien auf Einladung der Regierungen offizieller Bestandteil des TTIP-Prozesses geworden – die Bürgerinnen und Bürger dagegen seien ausgeschlossen. Allerdings könne auch gegen diesen Vertrag etwas unternommen werden, genauso wie bei dem Multilateralen Investitionsabkommen (MAI), das ebenfalls im Geheimen verhandelt wurde, 1998 dann aber von einer starken Bürgerbewegung verhindert wurde. Die Gründe für den Protest waren, dass das MAI teilweise dieselben übermäßig Rechte für Konzerne enthalten habe wie TTIP, unter anderem ISDS. Ziel der Großkonzerne sei es nicht nur, die Justiz zu privatisieren, sondern auch einen wesentlichen Teil der legislativen Funktion von Regierungen, indem sie auf Vorschriften und Normen Einfluss nähmen. George führt weiter aus, dass auch die Exekutive durch eine Flut von Klagen bedroht sein könne, wenn sie versuche, Gesetze zu Banken, Arbeitsrecht, Umwelt, Lebensmittelsicherheit oder auch Gesundheit zu verbessern. „TTIP ist eine große Bedrohung für die Demokratie – die EBI will Demokratie, nicht Konzernherrschaft“, fasst George zusammen.

Mit einer EBI ist es Bürgerinnen und Bürgern der EU-Staaten seit dem 1. April 2012 möglich, die Europäische Kommission aufzufordern, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen. Gleichzeitig erzwingt eine erfolgreiche EBI eine Anhörung im EU-Parlament. Notwendig sind mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedstaaten.

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