Italiener stimmen über Atompolitik ab

[02/11] Mehr Demokratie: Deutschland braucht bundesweite Volksentscheide

Laut eines Urteils des italienischen Verfassungsgerichts vom vergangenen Mittwoch (12. Januar) dürfen die Bürgerinnen und Bürger Italiens in einem Referendum über eine teilweise Aufhebung von Gesetzen abstimmen, die den Bau von neuen Atomkraftwerken erlauben. Dieses sogenannte aufhebende Referendum wurde durch die Sammlung von 500.000 Unterschriften ermöglicht, die von der Partei Italia dei Valori (Italien der Werte) angestoßen wurde. 1987 hatte Italien in einem Referendum den Atomausstieg beschlossen, seit 1990 waren keine Atomkraftwerke mehr in Betrieb. Nun ist der Bau von vier neuen Reaktoren in Planung. Das insgesamt 63. aufhebende Referendum Italiens wird an einem Sonntag zwischen dem 15. April und dem 15. Juni stattfinden. „Wir möchten den Italienern dazu gratulieren, dass sie über wichtige Themen der nationalen Politik abstimmen dürfen. Uns Deutschen wird dies immer noch verwehrt. Angesichts der Proteste beispielsweise gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken oder gegen das Bauprojekt Stuttgart 21 wird immer deutlicher, dass Menschen mitbestimmen wollen“, sagt Michael Efler, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. „Deutschland ist mittlerweile das einzige Land in der EU, das noch keine nationale Volksabstimmung erlebt hat. Wir fordern die Einführung bundesweiter Volksbegehren und Volksentscheide auch in Deutschland.“

Für aufhebende Referenden ist in Italien ein Beteiligungsquorum von 50 Prozent gesetzlich festgelegt. Eine Abstimmung ist demnach nur gültig, wenn sich mindestens die Hälfte aller Wahlberechtigten beteiligt. Seit 1974 gab es in Italien insgesamt 62 aufhebende Referenden. 27 dieser Referenden scheiterten am 50-prozentigen Beteiligungsquorum, 26 davon, obwohl sich eine Mehrheit der Abstimmenden für die Vorlage aussprach. Von den 35 Referenden, die das Quorum überwinden konnten, wurden 19 vom Volk angenommen. Zuletzt konnte 1995 ein Referendum das Beteiligungsquorum erreichen. Neben den 62 aufhebenden Referenden gab es in Italien seit 1974 ein konsultatives, also nicht verbindliches, Referendum und zwei Verfassungsreferenden. Auch die Verfassung selbst war 1947 per Volksentscheid beschlossen worden.

Eine Volksgesetzgebung auf nationaler Ebene, die es den Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, durch Unterschriftensammlung eine Abstimmung zu erwirken, gibt es in der EU neben Italien auch in Slowenien, Ungarn, Lettland, Litauen und der Slowakei. „Dass Deutschland in Sachen bundesweite Volksentscheide so hinterherhinkt, ist bedauerlich. Allerdings sind die Hürden für die direkte Mitbestimmung der Bürger in den genannten EU-Ländern teilweise sehr hoch, so dass die Instrumente schwer anwendbar sind. Für Deutschland wünschen wir uns eine Volksgesetzgebung mit fairen Regelungen, die Bürgerbeteiligung ermöglicht, nicht verhindert“, so Efler.

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