Mehr Demokratie: Volksabstimmungs-Debatte muss mehr sein als ein Strohfeuer

[62/11] Verwirrung um Volksentscheide: Politik reagiert aufgeregt auf Referendums-Forderungen

Im Zusammenhang mit dem kurzfristig angekündigten und mittlerweile wieder abgesagten Referendum in Griechenland äußern sich auch deutsche Politiker zu einer möglichen Volksabstimmung über Europafragen. Der Verein Mehr Demokratie fordert in diesem Zusammenhang weniger Aufgeregtheit und mehr langfristige Überlegungen.

„Das Thema bundesweite Volksabstimmung wird derzeit im Strohfeuer der Parteipolitik verheizt“, sagt Ralf-Uwe Beck, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie. Es sei eine grundsätzliche Debatte nötig. „Unabhängig von der tagespolitischen Lage brauchen wir die direkte Demokratie auf allen politischen Ebenen, auch auf Bundes- und Europaebene“, so Beck. „Volksabstimmungen haben wie Wahlen einen Wert an sich. Man darf sie nicht nach dem Ergebnis einzelner Entscheide bewerten.“

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte gestern erklärt, grundlegende Entscheidungen zur Zukunft Europas müssten mit Volksabstimmungen verbunden werden. Sein Parteikollege Thomas Silberhorn plädierte für eine Abstimmung über die geplante Änderung der EU-Verträge für einen dauerhaften Euro-Rettungsschirm. Mehrheitlich steht die Union bundesweiten Volksentscheiden skeptisch gegenüber. Die Grünen dagegen treten eigentlich für direkte Demokratie auch auf nationaler Ebene ein. Im Zusammenhang mit der Eurorettung warnten die Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin aber vor den „enormen Risiken“, die ein Referendum berge.

„Die Politik in Deutschland und ganz Europa fährt im Zusammenhang mit der Eurokrise auf Schlingerkurs und ruft jeden Tag neue Scheinlösungen aus“, fasst Beck zusammen. „Immer mehr Volksvertretern wird dabei klar, dass eine Krisenbewältigung ohne Bürger unmöglich ist. Zugleich herrscht offenbar große Angst, dass es mit den Bürgern auch nicht geht.“ Im Kern stehe die grundsätzliche Frage, wie die Bürgerinnen und Bürger bei der Gestaltung Europas mitgenommen werden können.

Es sei wichtig, differenziert zu diskutieren, sagt Beck. „Auch in Deutschland wäre eine Volksabstimmung zu Europafragen möglich.“ Das Bundesverfassungsgericht habe den Weg dorthin bereits vorgezeichnet. In dem Moment, wo weitere Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagert werden, wäre die Souveränität des deutschen Volkes nicht mehr gewährleistet und das Grundgesetz ausgehöhlt – so die Argumentation der Karlsruher Richter. „Wenn mehr Macht nach Brüssel abgetreten werden soll, kann das nur per Referendum über eine neue Verfassung geschehen.“ Darüber hinaus fordert Mehr Demokratie die Einführung des bundesweiten Volksentscheids, damit die Möglichkeit besteht, auch auf Bundesebene über Schicksalsfragen direkt abzustimmen.

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