Volksentscheids-Ranking 2010: Hamburg Spitzenreiter, Saarland Schlusslicht

[45/10] Trend zu mehr Beteiligung, extreme Unterschiede zwischen den Bundesländern

 

Auf einer Pressekonferenz stellte der Verein Mehr Demokratie heute das Volksentscheids-Ranking 2010 vor. Das Ranking vergleicht die gesetzlichen Regelungen der Bundesländer für Bürgerbegehren (kommunale Ebene) und Volksbegehren (Landesebene). „Es gibt zwar einen Trend, die politische Beteiligung der Menschen zu vereinfachen. Dieser Trend gilt aber nicht für alle Bundesländer. Manche, wie etwa das Saarland und Baden-Württemberg, konnten sich noch nicht dazu durchringen, den Bürgern echte Mitbestimmung zuzutrauen“, sagt Ralf-Uwe Beck, Mehr Demokratie-Vorstandssprecher. „Einige Bundesländer müssen aufpassen, nicht den Anschluss an eine moderne und bürgerfreundliche Demokratie zu verpassen. Die Volksentscheide in Bayern und Hamburg sowie die Proteste gegen Stuttgart 21 zeigen deutlich, dass die Menschen mitentscheiden wollen. Es ist unklug, ihnen das auf Dauer zu verwehren.“

 

Neuer Spitzenreiter des Volksentscheids-Rankings ist Hamburg, gefolgt von Berlin. Beide Bundesländer erhielten die Note „gut“. Damit konnte erstmals mehr als ein „befriedigend“ für die Regelungen der direkten Demokratie auf Landes- und Kommunalebene vergeben werden. Schlusslicht ist, wie bereits im Ranking 2007, das Saarland. Den vorletzten Platz belegt Baden-Württemberg. Insgesamt wurde acht Mal die Note „ausreichend“ und jeweils einmal die Note „mangelhaft“ und „ungenügend“ vergeben.

 

Die Durchschnitts-Note für die direkte Demokratie in den Ländern und Gemeinden erhöht sich somit von 4,2 im Jahr 2003 über 4,0 im Jahr 2007 auf aktuelle 3,7. „Es geht zwar bergauf, aber das Tal, aus dem wir heraufklettern müssen, um wirklich faire Gesetze für Bürger- und Volksbegehren zu erreichen, ist tief. In den deutschen Bundesländern findet im Schnitt nur alle 35 Jahre ein Volksentscheid statt. Reformen sind vor allem bei den Schlusslichtern des Rankings mehr als überfällig“, sagt Michael Efler, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie. „Ein großes Manko Deutschlands ist auch die Abschottung der Bundespolitik gegen eine direkte Mitbestimmung der Bürger. Alle anderen europäischen Länder haben bereits mindestens eine Volksabstimmung auf nationaler Ebene erlebt, nur Deutschland nicht. Solange der Volksentscheid nicht auch auf Bundesebene verankert wird, bleibt Deutschland im EU-Vergleich ein direktdemokratisches Entwicklungsland.“

 

Größter Gewinner des aktuellen Rankings ist Thüringen, das sich durch umfassende, von Mehr Demokratie angestoßene, Reformen auf kommunaler Ebene von Platz 14-15 (2007) auf Platz 4 (2010) verbessern konnte. Auch Rheinland-Pfalz, Bremen, Berlin und Hamburg hatten die Gesetze zugunsten der Bürgerinnen und Bürger reformiert und konnten so eine höhere Bewertung erreichen. Geplant sind Reformen bei der direkten Demokratie in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Bremerhaven, Hessen und im Saarland. In Baden-Württemberg wurde ein entsprechender Antrag von der Opposition eingebracht.

 

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind auch bei der direktdemokratischen Praxis erheblich. In zehn der 16 Bundesländer gab es noch nie einen Volksentscheid (Landesebene). Bayern und Hamburg erlebten hingegen bereits jeweils sechs Volksentscheide. Auch bei Bürgerbegehren (kommunale Ebene) weisen die Bundesländer starke Unterschiede auf. Bayern kann rund 40 Prozent aller direktdemokratischen Verfahren auf kommunaler Ebene verzeichnen. Seit der Einführung 1995 wurden dort 1.759 Initiativen neu gestartet, die zu 995 Bürgerentscheiden führten. Im Saarland gab es seit der Einführung 1997 gerade einmal 14 Bürgerbegehren.

 

Die Bewertung der Bundesländer in der Übersicht: <link>www.mehr-demokratie.de/ranking.html

Teilen:
nach oben