Demokratische Systemaufstellungen

Mit Systemaufstellungen Demokratie erfahrbar(er) machen

 

Was ist eine Systemaufstellung?

Eine Systemaufstellung ist ein Gruppenverfahren, das seit den 1990er Jahren vor allem in Familientherapie und Organisationsentwicklung eingesetzt wird. Seit einigen Jahren wird es auch zunehmend in der Forschung verwendet.

Es geht bei Systemaufstellung darum, Beziehungen und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Elementen oder Personen sichtbar zu machen. Dabei werden oft verborgene Dynamiken in einem System erkennbar, denn eine Aufstellung hilft dabei, neue Perspektiven einzunehmen.

Wie funktionieren demokratische Systemaufstellungen?

Bei Mehr Demokratie experimentieren wir seit 2020 mit Aufstellungen und haben ein Konzept speziell für die Untersuchung politischer Fragen entwickelt: die demokratische Systemaufstellung.

Wie in jeder Aufstellung repräsentieren einige Personen darin die Bestandteile eines aufgestellten Systems. Der Rest der Gruppe schaut und hört genau zu und gleicht die Eindrücke mit den eigenen Vorstellungen und Ideen ab. Anschließend wird gemeinsam ausgewertet. Abbildung 1 zeigt das Prinzip einer solchen Aufstellung.

Die repräsentierenden Personen platzieren sich stellvertretend für diese Elemente in einem Raum und positionieren sich in Bezug zueinander. Bereits die räumliche Anordnung regt dazu an, die in der Aufstellung untersuchte Situation aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. 

Die Teilnehmenden sprechen im Verlauf des Prozesses aber auch für die Elemente, die sie repräsentieren. Dann sagt zum Beispiel die Wirtschaft: „Ich nehme wahr, dass ich der Politik näher stehe als der Bevölkerung.” Oder die Wissenschaft sagt: „Ich fühle mich, als wäre ich kein Teil dieser Gruppe.” Oder die Politik: „Ich kann noch nicht alle einschätzen. Es könnten Freunde oder Feinde sein.”

Was bringen demokratische Aufstellungen?

Kurz gesagt: Perspektivwechsel und Empowerment.

Demokratische Aufstellungen ermöglichen es Teilnehmenden, sich selbst als politische Akteure wahrzunehmen. Sie erfahren nicht nur rein rational, sondern auch auf einer emotionalen Ebene, dass alle Elemente miteinander in Beziehung stehen. Und: dass alle Elemente Einfluss auf Belange der Demokratie nehmen können.

Wer sich als politisches Subjekt erfährt, fühlt sich bemächtigter, politisch zu handeln. Und wer komplexe Zusammenhänge versteht, entdeckt auch leichter neue Möglichkeiten der Einflussnahme.

Außerdem vereinfachen demokratischen Aufstellungen einen Perspektivwechsel. Eher abstrakte Institutionen (zum Beispiel die Wirtschaft) werden durch die Repräsentation eines Teilnehmenden zum Sprechen gebracht, ebenso sonst sehr heterogene Personengruppen (zum Beispiel die Bevölkerung). 

Dieses Erleben (Hören, Sehen und Spüren) anderer Blickwinkel geschieht bei gleichzeitiger Pluralität. Das heißt: in einer demokratischen Aufstellung gibt es immer gleichzeitig mehrere Perspektiven, die gleichwertig nebeneinander stehen und erfahren werden. Das passiert im Alltag selten. Für die Demokratie ist es jedoch fundamental wichtig, dass verschiedene Perspektiven gleichberechtigt und gleichermaßen wahrgenommen werden.

Diese Vielfalts-Erfahrung führt bei den Teilnehmenden auch zu mehr Verständnis für die einzelnen Akteure. Und damit zu Ideen, welche Veränderungen im System gut für alle wären. Veränderungen, von denen alle profitieren, sind das zentrale Ziel der Demokratie.

Sarah Händel, Bundesvorständin von Mehr Demokratie e. V.

„Eine im besten Sinne erschütternde Erfahrung. Man kommt raus aus der Schubladisierung! Der Aufstellungsprozess löst eine neue Verbundenheit mit den verschiedenen Akteuren der Demokratie aus, weil neue Seiten spürbar werden, die oft erst mal irritieren. Das macht deutlich, dass kein Akteur, keine Position nur einseitig, platt und plump ist.“

Sarah Händel, Bundesvorstand Mehr Demokratie e. V.

Du möchtest unsere Arbeit mit den demokratischen Aufstellungen finanziell unterstützen? 

Wie alles begann: Eine kurze Geschichte der demokratischen Systemaufstellungen

2019: Dr. Josef Merk, Wirtschaftswissenschaftler mit Promotion in Psychologie, stößt bei einer Veranstaltung auf den Verein Mehr Demokratie und erkennt Bezüge zwischen den dort bewegten Demokratiefragen und seiner Arbeit als Berater und Coach. Der Mehr Demokratie-Vorstand beschließt, Aufstellungen im politischen Kontext auszuprobieren und zu erforschen.


01/202003/2021 Pilotphase: Ein Team rund um Josef Merk führt mit einem Kreis ausgewählter Menschen Aufstellungen zum Thema „Demokratie“ durch. Der Arbeitsbereich Deepening Democracy entsteht bei Mehr Demokratie. Im Verlauf der fünf Aufstellungen während der Pilotphase wird 

  1. Ein eigenes und im Bereich der Systemaufstellungen völlig neues, partizipatives Auswertungsschema entwickelt. 
  2. Das Verfahren Systemaufstellung auf den politischen Kontext bzw. Demokratie angepasst.
  3. Thesen für ein besseres Verständnis des aktuellen Zustands unserer Demokratie formuliert.

04/202105/2021: Deepening Democracy bewirbt sich im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne der Hertie-Stiftung, erreicht mit 605 Spendenden und 18.628 Euro Fundingsumme den 9. Platz und wird zusätzlich mit 10.000 Euro von der Hertie-Stiftung gefördert.


06/202106/2022: Erprobungsphase: Mithilfe der Förderung kann Deepening Democracy drei zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Aufstellungen helfen, ihr Arbeitsfeld tiefer zu verstehen und neue Perspektiven zu ergründen.


01/202209/2022 Durchführung mehrerer Aufstellungen im Mehr Demokratie-internen Kontext. Vorstellung der Methode, unter dem Namen Politikfeldaufstellung, bei verschiedenen interessierten politischen Akteuren und Veranstaltungen durch Josef Merk u. a.


2023: Crowdfunding für die regelmäßige Durchführung von Aufstellungen zu Demokratiethemen für Mitglieder von Mehr Demokratie und Interessierte. Wissenschaftliche Begleitforschung in Kooperation mit der Universität Groningen.

„Demokratieaufstellungen sind eine noch ungewohnte, aber überaus aussagekräftige Forschungsform, um begriffliche Zusammenhänge auf verblüffende Weise erkennen und neu zuordnen zu können.“

Michael v. d. Lohe, Geschäftsführer OMNIBUS für Direkte Demokratie

„Ein essenzieller, ganzheitlicher, inklusiver Experimentierraum, wie wir ihn noch viel öfter in der Demokratie brauchen!“

Fanny Vildebrand, freie Lektorin und Texterin

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