NCCR Democracy, Hanspeter Kriesi, Lars Müller (Hrsg.): „Herausforderung Demokratie“

NCCR Democracy, Hanspeter Kriesi, Lars Müller (Hrsg.): „Herausforderung Demokratie“, Zürich, Lars Müller Publishers 2013; 528 Seiten; ISBN 978-3-03778-296-5; Preis: 46 Euro.
NCCR Democracy: „Herausforderung Demokratie“
von Neelke Wagner
Mit „Herausforderung Demokratie“ hat der Nationale Forschungsschwerpunkt „Herausforderungen für die Demokratie im 21. Jahrhundert“ (NCCR Democracy) der Universität Zürich einen Rundumschlag zur Geschichte und Gegenwart der Demokratie vorgelegt. Der reich bebilderte Band entstand als Beitrag zum Wissenstransfer des NCCR und wird seinem im Vorwort formulierten Anspruch, „Das Thema Demokratie wird hier nicht nur theoretisch erschlossen, sondern in seinen vielfältigen Dimensionen gezeigt: als Utopie, als Forderung, als Normalität“, durchaus gerecht. Das gelingt in erster Linie mit Hilfe der großzügigen Bildstrecken. Künstlerische Darstellungen idealer demokratischer Gemeinwesen sind ebenso vertreten wie historische und aktuelle Fotografien, die historische Großereignisse, aber auch gesellschaftlichen Alltag überall auf der Welt zeigen.
Der Band erstreckt sich über 17 Abschnitte. Längere Überblicksartikel, in der Regel verfasst von Mitarbeiter/innen des NCCR, wechseln sich mit kürzeren Positionen und Zitaten bekannter Demokratie-Aktivist/innen ab. Zum Einstieg zeichnen Hanspeter Kriesi und Daniel Bochsler den „langen Weg“ der Demokratie von einer antiken Idee, die hauptsächlich in elitär regierten Stadtstaaten zu Hause war, zu einem politischen Projekt der Moderne, das immer mehr Bevölkerungsgruppen einschließt und inzwischen auf der ganzen Welt zu Hause ist.
Unter dem Titel „Was ist Demokratie?“ erläutert Wolfgang Merkel systematisch und klar strukturiert verschiedene Modelle von Demokratie, stellt das Demokratie-Barometer des NCCR zur Messung der Qualität von Demokratien vor und diskutiert die Gefahren, die etablierten Demokratien heute drohen. Die folgenden Artikel beleuchten einzelne Merkmale und Probleme von Demokratien genauer: Wie definieren unterschiedliche Demokratien ihr Staatsvolk und wie gehen sie mit sozialen und ethnischen Spaltungen um? Welche Werte benötigt eine Gesellschaft, damit eine Demokratie entstehen kann? Was bedeuten Medialisierung und Globalisierung für die Demokratie-Entwicklung? Ermüden unsere Demokratien? Einen Schwachpunkt hat das Buch: Viele Thesen gründen auf Forschungsergebnissen, die in der Regel zunächst Korrelationen, keine Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zutage fördern. Was Ursache, was Wirkung ist, entscheidet dann der Autor, oft ohne zu erklären, warum. Deshalb erscheinen manche Darstellungen allzu verknappt und willkürlich. Ein Beispiel aus dem Abschnitt „Leistungsfähigkeit von Demokratien“: Thomas Bernauer erklärt die geringere Wahlbeteiligung armer Menschen zur Ursache dafür, warum Demokratien bei der Armutsbekämpfung nicht unbedingt besser dastehen. Genauso gut hätte er den hohen Organisationsgrad der Wirtschaftslobbys oder Scham, die Menschen daran hindert, staatliche Unterstützung zu fordern, als Erklärung anführen können. Warum er sich für diese bestimmte These entschieden hat, bleibt im Dunklen. Insgesamt ist „Herausforderung Demokratie“ leicht zu lesen, ohne allzu vereinfachend zu formulieren und bietet viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Seine abwechslungsreiche Gestaltung lädt zum Querlesen ein und veranschaulicht zusätzlich die These der Herausgeber, dass die Demokratie kein statisches, eindeutig zu bestimmendes System sei, sondern eine Herausforderung bleibt.
Eine spannende und schöne Lektüre für alle, denen die Demokratie am Herzen liegt!