Grußwort von Thomas Mayer zur Feier 20 Jahre Mehr Demokratie e.V.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

während Ihr heute abend das 20. Geburtstagsfest vom Mehr Demokratie e.V. feiert, bin ich vermutlich gerade mit dem Auto in den schottischen Highlands auf dem Weg nach Findhorn. Deshalb einige Grußworte auf diese Weise.

Vor 20 Jahren gehörte ich zu der kleinen Runde, die Mehr Demokratie e.V. in Bonn gründete.

Die folgenden 15 Jahre widmete ich meine ganze Kraft der Volksabstimmung und dem Aufbau von Mehr Demokratie und dem Omnibus für Direkte Demokratie.

Wie war das damals eigentlich?

Um das herauszufinden mache ich gedanklich eine Zeitreise. Ich drehe das Rad der Zeit zurück ... 5 Jahre zurück ... 10 Jahre ... 15 Jahre ... 20 Jahre und stoppe Ende 1988.

 

Ich stehe nun im Hauptbahnhof Bonn und schaue mich um. Alles sieht ganz anders aus, andere Kleidung, andere Autos, alte Züge. Ich gehe durch eine Unterführung unter den Gleisen hindurch und biege in die erste Straße rechts ein. Hier ist das Schild "Heinrich Böll Stiftung". Im Keller muß es sein, das Büro der "Initiative Demokratie Entwickeln". Dort müßte ich den Thomas Mayer von damals auch finden, denn er arbeitete in diesem Büro.

 

Ich klopfe an und öffne die Türe. Im Raum sind einige junge Leute, die um zwei kleine Macintosh Rechner sitzen und sehr geschäftig wirken. Ich sage: "Guten Tag, mein Name ist Thomas Mayer. Ich hatte angerufen, weil ich etwas über die Initiative Demokratie Entwickeln erfahren möchte."

Ein junger Mann, etwa 23 Jahre alt, kommt auf mich zu, begrüßt mich: "Schön, daß Sie gekommen sind. Wir hatten im Büro abgesprochen, daß ich das Gespräch mit ihnen führe, ich heiße zufälligerweise nämlich auch Thomas Mayer. Da es hier zu laut ist schlage ich vor, daß wir in ein Café in die Innenstadt gehen."

Im Café lege ich bald mit meinen Fragen los.

 

"Warum bist Du nach Bonn gezogen?"

"Nach dem Atomunglück in Tschernobyl vor zwei Jahren gab es die Initiative 'Volksentscheid gegen Atomanlagen'. Da arbeitete ich auch schon mit. Es kamen in kurzer Zeit über 500.000 Unterschriften zusammen. Die Unterschriftenlisten sind bei uns im Keller. Und es sind viele Kontakte zu Verbänden und Umweltaktivisten entstanden. Wir haben nun im Sommer die Initiative Demokratie Entwickeln gegründet, damit dieses Netzwerk nicht versandet, sondern neue Aktionen zur Einführung der Volksabstimmung gestartet werden. Im Herbst war mein Zivildienst zu Ende und meine Freundin ist gerade ein Jahr in Frankreich und so bin ich jetzt hier und ich freue mich, daß ich endlich Zeit habe, mich voll um die Direkte Demokratie zu kümmern."

 

Ich frage weiter: "500.000 Unterschriften sind sehr viel. Könnte es aber nicht sein, daß so viele Unterschriften eher zusammengekommen sind durch die Aufregung wegen Tschernobyl und weniger wegen der Forderung nach der Volksabstimmung. Mir scheint es, daß die Idee der Volksabstimmung den meisten Menschen zu abstrakt ist?"

"Ja, natürlich haben wir uns mit der Kraft der Anti-AKW-Bewegung verbunden. Das war der beste Weg. Denn an diesem drastischen Beispiel wird deutlich, wie dringend das Recht auf Volksentscheid ist. Was nützt es zu protestieren, solange man kein Entscheidungsrecht hat? Die Strukturfrage ist die eigentlich wichtige Frage. Ohne die richtigen Instrumente kann man nur sehr schwer etwas erreichen."

 

"Wann glaubst Du, daß es die Volksabstimmung auf Bundesebene geben wird?"

"Ein paar Jahre kann es schon noch dauern, wir fangen ja erst gerade an zu arbeiten."

 

"Wieviele seit ihr denn?"

"Im Büro arbeiten ich, Daniel, Andreas und manchmal auch Wybke. Sehr wichtig ist Gerald und sein Bundestagsbüro und natürlich Lukas, der Geschäftsführer der Böll-Stiftung."

 

"Was habt ihr denn als nächstes vor?"

"Wir bereiten gerade eine Tagung vor, zu der wir alle einladen, die bei Volksentscheid gegen Atomanlagen aktiv waren. Und wir arbeiten gerade an der ersten Ausgabe einer Zeitschrift für Direkte Demokratie. Und wir überlegen dauernd, wie wir eine neue Kampagne für die bundesweite Volksabstimmung starten können. Hast Du vielleicht eine gute Idee?"

 

Ich stutze auf diese Frage. Denn ich habe natürlich viele Ideen, da ich fünfzehn Jahre nichts anderes gemacht habe, als solche Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Doch ich will mich nicht zu erkennen geben, das gehört sich nicht bei Zeitreisen. Also nur eine dezente Antwort.

 

"Ja, vielleicht, laß mich mal überlegen. Wie viele Bücher gibt es denn zur Volksabstimmung?"

"Nicht viele. Ich bin schon seit einigen Wochen damit beschäftigt, Aufsätze und Diplomarbeiten zu finden. Nur etwa 20 habe ich gefunden. In den Universitäten gibt es die Volksabstimmung als Thema fast gar nicht."

 

Ich rege an. "Vielleicht wäre es eine gute Idee, einen Wissenschaftleraufruf zu machen, um das Thema sichtbarer zu machen? Da fällt mich noch etwas ein: Habt Ihr Euch schon einmal überlegt, daß es einfacher sein könnte, die Volksabstimmung in den Gemeinden und Bundesländern einzuführen als auf der Bundesebene?"

"Nein, darüber haben wir noch nie gesprochen. Ich habe auch noch nie etwas über Bürgerentscheide in Gemeinden gelesen."

 

"Meines Wissens gibt es in Baden-Württemberg den kommunalen Bürgerentscheid schon seit 1956. Vielleicht wäre es lohnend zu untersuchen, wie sich das bewährt hat."

"Das hört sich ja sehr interessant an! Ich könnte die Erfahrungen in Baden-Württemberg ja einmal untersuchen und ein Wissenschaftler-Aufruf wäre etwas ganz Neues und müsste möglich sein."

Der junge Mann scheint etwas Feuer gefangen haben. Das reicht an den Hinweisen aus der Zukunft. Ich lenke das Gespräch in eine andere Richtung.

 

"Wie finanziert Ihr Euch denn und wieviel Geld habt Ihr als Initiative?"

"Daniel, Andreas und Wybe studieren und ich habe noch einige Ersparnisse. Auf unserem Vereinskonto ist zur Zeit viel Geld, über 1500,- DM. Toll ist die Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung. Wir können den Kellerraum benützen und die Demokratietagung wird von der Stiftung finanziert."

 

"Das ist aber nicht viel, um eine Bewegung zur Einführung der bundesweiten Volksabstimmung zu starten!"

"Soviel hatten wir noch nie. Es wird schon mehr werden."

 

"Was machst Du, wenn es in 20 Jahren die Volksabstimmung auf Bundesebene noch immer nicht gibt?"

Mein Gegenüber lacht. "Ach, die gibt es dann schon lange und wir starten lauter Volksbegehren zu den ganzen Fragen, die nie zum Zuge kommen."

Wir reden noch eine Stunde weiter. Über dies und das. Dabei bekomme ich auch heraus, daß meinem Gesprächspartner die Worte "Email, Homepage, Provider, Handy, Billigflieger oder Mailing" völlig unbekannt sind.

Dann verabschieden wir uns herzlich und ich wünsche ganz, ganz viel Glück.

Ich stelle mich wieder an das Rad der Zeit und drehe es nach vorne bis ins Jahr 2008.

Und ich frage mich: Wie wird es nur sein, wenn wir im Jahr 2028 zurückblicken auf die letzten 20 Jahre?

Werden wir es bemerken, wenn uns in den nächsten Wochen oder Monaten jemand besucht mit versteckten Impulsen und Tips aus der Zukunft?

Vielleicht sind das auch interessante Fragen für Euch alle?

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