Volksinitiative: Bürgerentscheid in Schleswig-Holstein gerettet

Die Volksinitiative „Rettet den Bürgerentscheid!“ war erfolgreich: Heute verkündeten die schleswig-holsteinische Regierungsfraktionen CDU und Grüne und das breite Bündnis, das die Volksinitiative trägt, einen Kompromiss. Es ist ein großer Erfolg für die Initiative „Rettet den Bürgerentscheid!“, aber auch für die Demokratie. Die Initiative hat sich mit der Landespolitik geeinigt und den Bürgerentscheid in Schleswig-Holstein gesichert. Nun wird die Bauleitplanung für direkte Demokratie wieder geöffnet, wenngleich mit höheren Quoren. Außerdem wird die Schätzung der Kosten für ein Vorhaben künftig erst kurz vor einem Bürgerentscheid notwendig – damit werden Verzögerungen aufgehoben, das Verfahren beschleunigt und die Verwaltung entlastet.

Voraussichtlich Ende Mai wird der Landtag eine Reform der Reform beschließen – im Sinne des heute verkündeten Kompromisses. Damit endet ein monatelanger Konflikt. Im März 2023 hatte der Landtag eine Gesetzesreform beschlossen, die die direkte Demokratie in den Gemeinden und Kreisen Schleswig-Holsteins massiv einschränkte. Außerdem: Wird bei Bauvorhaben ein Gemeinderatsbeschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefällt, sind Bürgerbegehren seitdem unzulässig. Soweit der aktuell noch geltende rechtliche Stand.

Gegen diese Einschränkung der Bürgerbeteiligung bildete sich ein breites Bündnis, welches wir von Mehr Demokratie initiierten. Ihm gehören unter anderen die Oppositionsparteien SPD und Südschleswigscher Wählerverband  (SSW) an, sowie der BUND und viele mehr. Viele lokale Umwelt- und Klimaschutz-Gruppen beteiligten sich ebenfalls – was im deutlichen Widerspruch stand zur schwarz-grünen Behauptung, mit der neuen gesetzlichen Regelung werde der Klimaschutz beschleunigt. Insgesamt waren 50 Organisationen mit an Bord. Letztlich verteidigte das Bündnis die direkte Demokratie in den Kommunen mit Hilfe der direkten Demokratie auf Landesebene, nämlich mit einer Volksinitiative „Rettet den Bürgerentscheid!“: Der Name war Programm. Das Ziel: Die von den schwarz-grünen Regierungsfraktionen eingebrachten Einschränkungen in ihren wesentlichen Teilen rückgängig zu machen. Von Ende April bis Ende September 2023 sammelte das Bündnis über 27.595 Unterstützer-Unterschriften. Der Landtag erkannte die Volksinitiative als zulässig an.

Eine Volksinitiative kann vom Parlament angenommen oder abgelehnt werden, es sei denn es einigt sich mit der Initiative auf einen Kompromiss. Bei einer Ablehnung kann die Initiative das Volksbegehren beantragen, muss dann aber 80.000 Unterschriften sammeln um einen Volksentscheid einzuleiten. Jetzt liegt der Kompromiss vor und muss noch vom Parlament - voraussichtlich Ende Mai 2024 - beschlossen werden. Dann werden Volksbegehren und der Volksentscheid hinfällig.

Die Kerninhalte des Kompromisses lauten:

  • Die bisherige Regelung, nach der die Aufstellung einer Bauleitplanung, die in der kommunalen Vertretung mit einer zwei Drittel-Mehrheit beschlossen wurde, nicht mehr mit einem Bürgerbegehren begangen werden kann, wird gestrichen.
  • Stattdessen werden die Quoren bei einem Bürgerentscheid zur Aufstellung einer Bauleitplanung deutlich erhöht. Bei Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf mindestens 30 Prozent (vorher 20 Prozent), bis zu 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf mindestens 20 Prozent (vorher 16 Prozent) und mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf mindestens 15 Prozent (vorher 10 Prozent).
  • Die Initiatorinnen und Initiatoren eines Bürgerbegehrens müssen nicht schon bei der Einreichung eine Kostenschätzung vorlegen, sondern erst, wenn die Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen. Dann muss es in der schriftlichen Stellungnahme stehen.

„Die Einigung ist ein positives Signal für die Demokratie. In Zeiten starker Polarisierung sind Politik und Initiative aufeinander zugegangen und haben miteinander gesprochen. Das ist, was die Demokratie heute am allermeisten stärkt.“

Claudine Nierth, Obfrau und Bundesvorstandssprecherin von Mehr Demokratie

Auch bundesweit einigen sich Volksinititativen immer wieder mit dem Parlament. So waren in den letzten Jahren Volksbegehren für mehr Artenschutz in Bayern und Niedersachsen auf diesem Wege erfolgreich. In Nordrhein-Westfalen stoppte das von der CDU mitgetragene Volksbegehren „Stopp Koop“ 1978 sozialdemokratische Pläne für Umbau des Schulsystems. In Hamburg wurde 2011 ein in vielerlei Hinsicht vorbildliches Transparenzgesetz durch eine Volksinitiative auf den Weg gebracht und acht Jahre vorher wurde ebendort die Privatisierung der Wasserwerke verhindert. 2012 war in Schleswig-Holstein unsere Volksinitiative zur Erleichterung von Bürgerentscheiden ebenfalls in einem Kompromiss, damals unter der rot-grünen Landesregierung, erfolgreich.

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