Irisches Nein wird europäischen Eliten lähmen

In unserer täglichen Irland-Kolumne berichten wir über Wähler, die mit "Ja" stimmen wollen, um Irland nicht zu blamieren. Denn wer mit Nein stimmt riskiert, dass eine Menge (vielleicht so 240) wichtige Leute in Europa so richtig stinksauer sein werden, jedenfalls für ein paar Tage.

Kurz nach nachdem die Niederländer und die Franzosen die EU-Verfassung abgelehnt hatten, erklärten die europäischen Eliten sowie die Massenmedien, dies wäre kein Nein zur EU gewesen, sondern eigentlich hätten die Wähler nur ihre Regierungen abstrafen wollen. Luxemburgs Premier Jean Claude Juncker sagte in der Pressekonferenz des Europäischen Rates: "Leider haben die Wähler nicht durchblickt, dass der Verfassungsvertrag extra auf ihre Anliegen ausgerichtet war." Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte auf derselben Konferenz: "Die EU-Institutionen, aber auch ihre Mitgliedsstaaten, wollen ja verstehen, was die europäischen Bürger wollen. (...) Aber wir werden hier nicht stoppen. Wir werden nicht anhalten. Wir haben einen Plan. Wir haben etwas zu tun."

Sehen Sie sich's an, einfacher geht's nicht: Gleichgültiger kann man den Bürgerinnen und Bürger gegenüber nicht sein. Eine damals veröffentlichte TNS-Umfrage legte die drei Hauptgründe der Holländer für ihr Nein offen: Erstens, sie wollten ihren Einfluss in der EU nicht verlieren; zweitens, als kleines Land wollten sie ihre Identität und Kontrolle über ihre eigenen Angelegenheiten bewahren; drittens, sie hatten das Gefühl, der Integrationsprozess ginge viel zu schnell vor sich. Klingt das irgendwie bekannt? Glauben Sie nicht, dass diese legitimen Sorgen von vielen Europäern geteilt werden - und ganz besonders in kleinen Ländern?

Also, was haben Juncker und Barroso da gefaselt? In wessen Namen haben sie denn gesprochen? Hätten sie ein Unternehmen und erklärten, die Kunden seien zu blöd, die Vorteile ihres Produktes zu verstehen, dann flögen sie auf der Stelle aus dem Markt. Und sie wären die Witzfiguren der Geschäftswelt. Doch leider gelten in der Politikwelt offenbar andere Regeln. Ich mag folgende Stelle im Kommentar von Vincent Brown in der Sunday Business Post: "Das Problem der Ja-Seite ist: es gibt keine wirklich starken Argumente für ein Ja - außer dass eine Menge (vielleicht so 240) wichtige Leute in Europa so richtig stinksauer sein werden, jedenfalls für ein paar Tage."

 

Ein anderer Artikel in derselben Zeitung trägt den Titel: "Nein-Stimme wird EU lähmen - Gegen den Vertrag von Lissabon zu stimmen wäre in Sachen Auslandsbeziehungen die mit Abstand schädlichste Entscheidung, die Irland je getroffen hat." Und wer sagt das? Niemand anderes als Peter Sutherland, ehemaliger irischer EU-Kommissar (1985 - 1989) und ehemaliger Generalsekretär der Welthandelsorganisation (WTO) (1993 - 1995), heute stellvertretender Vorsitzender des European Round Table of Industrialists.

Wissen Sie, wenn Sie solche Artikel lesen, ersetzen Sie die Abkürzung "EU" einfach einmal durch "europäische Eliten" und Sie kommen der Wahrheit ein großes Stück näher.

Sei's drum, einer Umfrage der Irish Times nach wollen nur 5 Prozent der Iren Nein wählen, um gegen die Regierung zu protestieren. Und einem Drittel (36 Prozent) der Ja-Wählern geht es nur darum, Irland nicht zu blamieren. Das nur für's Protokoll - falls nächste Woche wieder einmal ruminterpretiert wird, warum der Vertrag in Irland abgelehnt wurde.

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