Island Referendum: Interview mit Meike Stommer

Meike Stommer in Reykjavik vor der Hallgrímskirkja (Hallgrímskirche), dem zweithöchsten Gebäude Islands

Während Europa auf die griechischen Finanzprobleme schaut, kämpft der Inselstaat Island seit Monaten gegen einen drohenden Staatsbankrott. Eine risikoreiche Finanzpolitik in einem auf wenigen Füßen stehenden isländischen Wirtschaftssystem führte nicht nur zu einer Banken-, sondern auch zu einer Währungskrise in Island. Seit Beginn der Finanzkrise hat die isländische Krone dadurch fast 80% ihres Wertes verloren. Vor allen Dingen britische und niederländische Anleger verloren ihre Einlagen beim Bankrott der isländischen Icesave-Bank. England und die Niederlande verlangen nun Schadenersatz von Island. Die Rückzahlungsmodalitäten legte das isländische Parlament im Icesave-Gesetz fest. Dagegen unterschrieben 56.000 Isländer eine Petition an den Präsidenten, der daraufhin sein Veto gegen das Gesetz einlegte und ein Referendum ansetzte. Die Regierung nahm die Verhandlungen erneut auf; das Referendum über Icesave wird mangels neuer Ergebnisse am Wochenende trotzdem stattfinden.

 

Meike Stommer ist Politikwissenschaftlerin und momentan in Island. Bei unserer Jahrestagung vom 11.-13. Juni 2010 in Fuldatal wird sie am Sonntagvormittag über Islands Umgang mit der Finanzkrise berichten. Mehr Infos zur Jahrestagung finden Sie hier: www.mehr-demokratie.de/jahrestagung.html

 

Slonka:

Frau Stommer, derzeit beobachte ich täglich die Presse über Island. Was ich vor Wochen noch nicht für möglich gehalten hätte, scheint ja am Wochenende Realität zu werden: es gibt wirklich ein Referendum.

 

Stommer:

Ja es sieht tatsächlich so aus, als würde das Referendum stattfinden am Samstag, auch ich habe lange nicht daran geglaubt. Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurðardóttir hat gestern allerdings betont, dass immer noch die Möglichkeit bestehe, das Referendum um eine Woche zu verschieben, je nachdem was bei den laufenden Verhandlungen in London herauskommt. Die Regierung macht hier hauptsächlich von sich reden damit, dass sie versucht die Bedeutung des Referendums herunterzuspielen. Sie stellt es sogar als Geldverschwendung dar. Jóhanna Sigurðardóttir meint, die Abstimmung sei bedeutungslos, da ja bereits ein besseres Angebot von den Briten und Holländern vorgelegt wurde (was ja aber von den Isländern nicht angenommen wurde) und hat angekündigt, nicht zur Wahl zu gehen. Auch Steingrímur Sigfússon, der Finanzminister, überlegt gar nicht erst zur Wahl zu gehen wegen der Sinnlosigkeit der Abstimmung. Bei einem Nein-Votum sei das Problem nicht gelöst. Er empfindet es als schmerzlich, dass die erste Volksabstimmung in der Geschichte der Republik in diesem Zusammenhang stattfindet.

 

Slonka:

Was mich besonders interessiert: wie läuft die öffentliche Debatte? Gibt es eine Kampagne der Regierung oder eine Gegenkampagne?

Davon ist in deutschen oder englischen Medien leider nichts zu lesen.

 

Stommer:

Seit gestern werden in allen Haushalten Informationsbroschüren verteilt, vom Rechtsinstitut der Universität auf Wunsch des Innenministeriums verfasst. Die Gruppe „Indefence“ hatte am 10. Februar offiziell ihre Nein- Kampagne gestartet mit Treffen/ Pressekonferenzen überall im Land. Auf deren Seite indefence.is (auf Englisch) sind eine ganze Reihe Informationen abrufbar. Nach den neuesten Umfragen wollen 74 Prozent am Samstag mit Nein stimmen! In diesen Stunden laufen die Verhandlungen in London weiter, es bleibt also spannend.

 

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