Mehr direkte Demokratie in Bremen – Bürgerschaft beschließt Reformen

Die Bremische Bürgerschaft hat am jetzt eine Reihe von Verfassungsänderungen beschlossen, die zu einer Stärkung der direkten Demokratie im Land Bremen führen.

Mit den Stimmen aller Bürgerschaftsfraktionen wurde die Senkung der Hürden für verfassungsändernde Volksbegehren und Volksentscheide beschlossen. Ebenfalls sehr große Zustimmung fand die Reform des Bürgerantrages, die eine Senkung der Unterschriftenhürde sowie die Einführung der elektronischen Unterschriftensammlung vorsieht. Mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken, aber gegen die Stimmen der CDU wurde nach einer sehr lebhaften Debatte eine Regelung für Volksentscheide beschlossen, die bei der Privatisierung bestimmter Teile des öffentlichen Eigentums greift. Mehr Demokratie lobt die Parteien in der Bürgerschaft für die Reformen. Paul Tiefenbach, Sprecher von Mehr Demokratie in Bremen sagt dazu: „Die Bürgerschaft hat heute eine Mischung aus interessanten Neuerungen und überfälligen Reformen beschlossen. Wir freuen uns, dass die Bürgerschaft heute mit breiter Mehrheit mehr Demokratie ermöglicht hat“.

Für Volksbegehren, die eine Verfassungsänderung anstreben, gilt zukünftig ein Unterschriftenquorum von 10 Prozent (bisher 20) und für den folgenden Volksentscheid ein Zustimmungsquorum von 40 Prozent (bisher 50). Das bedeutet, dass für Volksbegehren, die eine Verfassungsänderung zum Ziel haben, künftig deutlich weniger Unterschriften gesammelt werden müssen. Statt fast 100.000 Unterschriften sind nur noch knapp 50.000 nötig. Dass diese Hürde erreichbar ist, hat Mehr Demokratie bei seinem Volksbegehren "Mehr Demokratie beim Wählen" unter Beweis gestellt. Die Regelungen für Volksbegehren über einfache Gesetze wurden bereits 2009 reformiert. Paul Tiefenbach sagt dazu: „Gut, dass diese Reform in Angriff genommen wurde. Aber die Senkung der Abstimmungshürde bei verfassungsändernden Volksentscheiden ist deutlich zu zaghaft“. Hervorzuheben ist die Rolle der CDU, die diese Reform mit vorangetrieben hat, in dem sie im Juni 2012 einen Antrag auf Senkung der Hürden bei verfassungsändernden Volksbegehren gestellt hat. Gerade mit Blick auf die Bremer CDU kann sich Tiefenbach aber einen Seitenhieb nicht verkneifen: „Geht es um Reformen in Bremen ist die CDU reformfreudig, beim bundesweiten Volksentscheid aber kneift sie. Das verstehen wir nicht.“ Die Bremer Bundestagskandidierenden der CDU hatten sich in einer Kandidierendenbefragung von Mehr Demokratie gegen die Einführung bundesweiter Volksentscheide ausgesprochen.

Ganz neu in der Verfassung ist eine Bestimmung, die Volksentscheide für den Fall vorsieht, dass Unternehmen verkauft werden, die sich im öffentlichen Eigentum befinden. Welche Gruppen von Unternehmen davon betroffen sind, ist in der Verfassung genau festgelegt. Aktuell betroffen wären laut Gesetzesbegründung z.B. der Flughafen Bremen, die BSAG, die Wohnungsgesellschaft Gewoba und der Klinikverbund GENO. Damit ein Unternehmen oder Anteile daran verkauft werden können, ist zukünftig ein Gesetz erforderlich, das erst nach drei Monaten in Kraft treten kann. Volksentscheide finden verpflichtend statt, wenn der Verkauf in der Bürgerschaft mit einfacher Mehrheit beschlossen wurde. Beschließt die Bürgerschaft den Verkauf mit Zweidrittel-Mehrheit, entfällt die Verpflichtung einen Volksentscheid durchzuführen. Ein Volksentscheid findet in diesem Fall nur dann statt, wenn dies in einem Volksbegehren gefordert wird oder ein Viertel der Bürgerschaftsabgeordneten dies beantragt. Für das Volksbegehren gilt ein vereinfachtes Verfahren ohne Zulassungsantrag, die Unterschriftenhürde liegt bei 5 Prozent (ca. 25.000 Unterschriften). Mehr Demokratie begrüßt auch diese Reform, wünscht sich aber eine Ausweitung auf weitere Themen, so Tiefenbach: „Bei Verfassungsänderungen wäre es angebracht, Volksentscheide stattfinden zu lassen“. Ein Antrag der CDU, der in diese Richtung ging, hatte im Juli vergangenen Jahres keine Mehrheit bekommen. Mehr Demokratie verweist auf Bayern, wo am 15. September zusammen mit der Landtagswahl über fünf Verfassungsänderungen abgestimmt wird.

Bei Bürgeranträgen, diese führen nach Erreichen des Unterschriftenquorums zu einer Befassung der Bürgerschaft, gilt zukünftig eine Unterschriftenhürde von 5000 Unterschriften, (bisher 2 Prozent der Einwohner, ca. 12.000 Unterschriften). Hier ist es zukünftig möglich, die Unterschriften auch auf elektronischem Weg zu sammeln. Das Verfahren hierzu wird durch Verordnung von der Finanzsenatorin bestimmt. „Bremen ist hier sehr innovativ, das gibt es bisher nur bei der europäischen Bürgerinitiative“ sagt Tiefenbach abschließend.

Die Verfassungsänderungen treten in Kraft, sobald diese im Amtsblatt veröffentlicht wurden.

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