Volksbegehren in Italien

Thomas Benedikter berichtet über eine geplante Initiative in Italien.

Mehr direkte Demokratie in die italienische Verfassung - Ein Volksbegehren
Der Zeitpunkt scheint nicht gerade der günstigste zu sein, denn die italienische Politik hat in den nächsten Monaten andere Prioritäten, wie die Sanierung der Staatsfinanzen, das Wahlgesetz, Ausgabenkürzungen, und gewiss nicht die direkte Demokratie. Dennoch hat sich eine Gruppe von Vereinen und Bürgerlisten aus verschiedenen Regionen entschlossen, ein ehrgeiziges Volksbegehren (proposta di legge di iniziativa popolare) Anfang 2012 auf den Weg zu bringen, um die Bürgerbeteiligung an der Politik - "Volksrechte" würden die Schweizer sagen - auf den Weg zu bringen, nämlich: "Proposta di legge costituzionale di iniziativa popolare per abolire il quorum e introdurre la democrazia diretta" - Modifiche agli articoli 67, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 118 e 138 della Costituzione, in materia di mandato e revoca, indennità degli eletti, formazione delle leggi, iniziativa popolare, referendum confermativo e abrogativo, enti locali e revisione della Costituzione tramite iniziativa legislativa costituzionale."
Nicht weniger als 10 Artikel der Verfassung sollen abgeändert werden, um das gesamte Instrumentarium der direkten Demokratie auf Staatsebene einzuführen und zudem neue Regeln für die Abwahl von gewählten Vertretern und die Verabschiedung des Wahlgesetzes für das Parlament zu verankern. Eine kleine Revolution für das politische System Italiens, und doch nur Reformen, die überfällig sind, um die Kluft zwischen der "Politikerkaste" und den Bürgern zu überwinden, für mehr Kontrolle der Politiker zu sorgen und den souveränen Bürgern das letzte Wort in dr Politik zu verschaffen.
Eingeführt würde die Volksinitiative (referendum propositivo), das fakultative bestätigende Referendum (referendum confermativo), die Verfassungsinitiative und das obligatorische Referendum bei Verfassungsänderungen. Abgeschafft würde das Quorum und der Ausschluss einiger wichtiger Materien vom Zugriff der Referenden, geregelt die Informationspflichten des Staates, das Recht der Wähler, beim Akt des Wählens auch die Politikerbezüge zu festzulegen, das bestätigende Referendum zum Wahlgesetz und zur Finanzierung der Parteien. Sehr wichtig für Südtirol wie für alle Regionen und Gemeinden wäre der neue Art. 118, der alle Gebietskörper-schaften verpflichtet, die neuen Referendumsrechte einzuführen und das Quorum abzuschaffen.
Ein solches Volksbegehren muss in 6 Monaten von mindestens 50.000 Bürgern unterschrieben werden, um dem Parlament vorgelegt werden zu können. Niemand in der Redaktionsgruppe erwartet sich vom heutigen Parlament auch nur Gesprächsbereitschaft, doch wird das Volksbegehren von vornherein als Informationsinstrument konzipiert, um die Bevölkerung mit weithin unbekannten und ungeahnten Möglichkeiten politischer Partizipation vertraut zu machen.
Es stellt sich die Frage, wer dieses Volksbegehren organisieren wird und wer vor Ort die Bewerbung und Informationsarbeit voranbringen soll. Im Rahmen der "Rete Civica Italiana", einer neuen Plattform von Bürgerlisten aus ganz Italien ist man übereingekommen, diese Initiativen mitzutragen, auch verschiedene lokale 5-stelle-Listen von Beppe Grillo haben Interesse bekundet. Wenn das Volksbegehren vor allem die Bewusstseinsbildung zum Ziel hat, muss natürlich mehr in die öffentliche Information und Diskussion investiert werden, nicht allein in die Motivation von 50.000 Bürgern zu unterschreiben. Somit stellt sich auch die Frage nach der finanziellen und organisatorischen Kapazität. Obwohl derzeit noch Manches in dieser Hinsicht ungeklärt ist, wäre von der Initiative für mehr Demokratie - wenn sie dieses Volksbegehren mitträgt - nichts anderes erforderlich, als die nötige Bewerbung in Südtirol zu organisieren.
Thomas Benedikter

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