Volksgesetzgebung in Deutschland: Ein Schritt nach vorn, drei Schritte zurück?

Während die Landesregierung in Berlin ein neues Abstimmungsgesetz vorstellt und damit einen Vorstoß zu mehr direkter Demokratie macht, bringt ein Gerichtsurteil in Baden-Württemberg weitere Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide. Die beiden Beispiele zeigen, wie unterschiedlich es um die Volksgesetzgebung in Deutschland bestellt ist.

Landesverfassungsgericht in Baden-Württemberg erklärt Volksbegehren für unzulässig

Am 18.05. erklärte das Landesverfassungsgericht das Volksbegehren für gebührenfreie Kitas für unzulässig. Dabei nahm es Bezug auf eine Einschränkung der Volksgesetzgebung in der Landesverfassung, wonach Volksbegehren über Abgaben verboten sind. Zusätzlich urteilten die Richter, dass der Gesetzesentwurf nicht bestimmt genug ist, er definiere dabei nicht klar genug, worum es gehe bzw. was das Gesetz bewirken solle.

Mit diesem Urteil werden die Möglichkeiten für Volksbegehren im Land Baden-Württemberg erheblich eingeschränkt. Laut unseres Landesverbandes sind die Anforderungen an Volksbegehren höher als an Gesetzesentwürfe des Landtags: „Ein Begehren muss viel genauer formuliert sein. Damit lässt sich fast jedes Begehren als zu unbestimmt zurückweisen – was Klagen nach sich ziehen wird“, so Dr. Edgar Wunder vom Landesverband BW. Noch dazu hatten die Initiatoren des Begehrens zwei Wochen Zeit, ihren Widerspruch gegen die Ablehnung des Innenministeriums einzureichen, während das Gerichtsverfahren ohne Zeitdruck etwa ein Jahr in Anspruch nahm.

 

Berliner Landesregierung stellt neues Abstimmungsgesetz vor

Elf Tage nach der Urteilsverkündung in Stuttgart stellte die Berliner Regierung einen Entwurf für ein reformiertes Abstimmungsgesetz vor. Der Gesetzesentwurf enthält eine neue Prüfungsfrist von fünf Monaten sowie die Regelung, dass Volksentscheide in Zukunft mit Wahlterminen zusammengelegt werden, sofern die Wahl in einem zeitlichen Korridor von acht Monaten nach dem erfolgreichen Volksbegehren stattfindet. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass die Initiativen das Zustimmungsquorum erreichen.

Diese Reformen sind dringend nötig, warten doch etwa die Volksbegehren für ein Transparenzgesetz und „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ noch immer auf ihre Zulässigkeitsprüfung. Allein in dieser Wahlperiode hatte der Senat im Schnitt 342 Tage für die Prüfung der Zulässigkeit von Volksbegehren gebraucht. Und auch die Situation für Volksbegehren, die für unzulässig erklärt werden, verbessert sich durch den aktuellen Gesetzesentwurf: Initiativen haben die Möglichkeit, ihren Gesetzentwurf anzupassen. Zudem sollen Volksinitiativen zukünftig Anspruch auf die öffentliche Teilerstattung ihrer Kosten haben: Pauschal werden nach dem Volksbegehren und dem Volksentscheid eine Summe von 35.000 Euro für nachgewiesene Kosten an die Initiative ausgezahlt.

 

Manche Bundesländer geben Anlass zur Hoffnung

Während das Urteil in Baden-Württemberg zeigt, dass es um die dort geltenden Regeln für Volksbegehren und Volksentscheide nicht gut bestellt ist, gibt der Gesetzesentwurf in Berlin mit seinen Erleichterungen für Initiativen dennoch Anlass zur Hoffnung. Gerade in der jetzigen Situation ist es wichtig, zusätzliche Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, um bürgerschaftliches Engagement weiter zu stärken. In Bremen und Schleswig-Holstein etwa gelten heute schon die gesetzlichen Grundlagen, online Unterschriften zu sammeln. Manche Bundesländer zeigen also: Es geht auch drei Schritte voran mit der direkten Demokratie.

 

Hier finden Sie weitere Informationen zu der Situation in Baden-Württemberg und Berlin

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