Vorläufige Anwendung von CETA – auch ohne Investorenschutz skandalös

(Mehr Demokratie e.V. | Lizenz: CC BY-SA 2.0)

Die EU-Kommission will die nächste Beruhigungspille für CETA- und TTIP-Kritiker in Umlauf bringen: Bei der vorläufigen Anwendung von CETA könnten nach jetzt durchgesickerten Berichten die Investorenschutzregeln ausgenommen werden. Trotzdem bleibt CETA ein Demokratieskandal.

In der Auseinandersetzung um die CETA-Verabschiedung bereitet die EU-Kommission offenbar den nächsten Schritt vor, um auch kritische Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung des demokratiegefährdenden Abkommens zu bewegen: Sie stellt in Aussicht, die Regelungen zu Schiedsgerichten von der vorläufigen Anwendung auszunehmen und damit Mitgliedstaaten wie Deutschland entgegen zu kommen. Ob das wirklich passiert, steht natürlich noch in den Sternen, denn alle Informationen, die dazu durchgesickert sind, sind inoffiziell. Erst Anfang Juli hatte die Kommission vorgeschlagen, das gesamte Abkommen vorläufig anzuwenden.

Aber selbst wenn: Mit dem Verzicht auf die vorläufige Anwendung der Bestimmungen zum ICS (Investment Court System) würde die EU-Kommission das Problem mit der Paralleljustiz nicht aus der Welt schaffen, sondern nur nach hinten verschieben. Neben den Schiedsverfahren enthält CETA viele weitere problematische Bestimmungen – und diese würden schon vorläufig in Kraft treten. Mit ihrem „Entgegenkommen“ wiegt die Kommission Mitgliedstaaten und Zivilgesellschaft in falscher Sicherheit, was den Schutz von Rechtsstaat und Demokratie angeht.

Denn: Auch ohne Investorenschutzregeln würden demokratisch nicht legitimierte Gremien entstehen, allen voran der „Gemischte CETA-Ausschuss“ (CETA Joint Committee). Dies untergräbt die Macht der Parlamente. Noch bevor ein einziges nationales Parlament darüber abgestimmt hat, könnte das höchste CETA-Steuerungsgremium beginnen, den Vertrag nach Gutdünken auszulegen, umzusetzen und teilweise sogar zu ändern. Die Mitgliedstaaten müssten sich an seine Beschlüsse halten. Solange, bis sie entscheiden, CETA endgültig abzulehnen. Ob einzelne Staaten das wagen und was das dann für den gesamten Vertrag hieße, ist noch völlig offen. Klar ist: Die vorläufige Anwendung, auch von CETA-Teilen, schafft Tatsachen, die mit unserer Demokratie nicht vereinbar sind.

Fazit: Selbst wenn die EU-Kommission tatsächlich auf die vorläufige Anwendung der Investitionsschutzbestimmungen verzichtet, ist das nicht mehr als eine Beruhigungspille für CETA-Kritiker/innen in der Politik oder Zivilgesellschaft. Die Demokratie wird trotzdem angegriffen, die Rechte der Parlamente trotzdem ausgehöhlt. CETA wird dadurch kein gutes Abkommen, dass ein besonders schlechter Punkt – vorläufig – nicht angewendet wird. Weder die Mitgliedstaaten noch die CETA-kritischen Bewegungen dürfen sich davon blenden lassen, dass die Kommission den Kritikern nun scheinbar nach und nach Zugeständnisse macht. Auch als gemischtes Abkommen, auch ohne ein vorläufig angewendetes ICS…CETA ist und bleibt ein Demokratieskandal!

Zum Hintergrund: Nachdem laut offizieller Erklärung der Kommission vom Juli 2016 der komplette Vertrag vorläufig angewendet werden soll, sickerte nun das Protokoll einer Sitzung des handelspolitischen Ausschusses mit einem neuen Kommissionsvorschlag durch. In der besagten Sitzung trafen sich Vertreter der nationalen Handelsministerien mit Vertretern der Kommission. Jean-Luc Demarty, Generaldirektor der EU-Kommission für Handel, warb bei diesem Treffen nochmals für die vorläufige Anwendung, stellte aber zugleich in Aussicht, dass sämtliche Investitionsschutz-Bestimmungen ausgenommen werden sollten. Ob CETA abgeschlossen, unterzeichnet und vorläufig angewendet werden soll, darüber berät nach dem derzeitigen Informationsstand der Rat der EU-Handelsminister in Bratislava am 23. September. Auf dem Bratislava-Treffen wird die Entscheidung vorbereitet, die dann am 18. Oktober durch den Rat für Allgemeine Angelegenheiten getroffen werden soll.  Damit wäre der Weg frei für die Unterzeichnung von CETA auf dem EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober.

Aktionen von Mehr Demokratie und Bündnispartnern, um CETA zu stoppen:

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