Warum machen wir es nicht einfach wie die Schweiz?
Der Volksentscheid für eine 13. Monatsrente in der Schweiz schlägt auch bei uns hohe Wellen. Kann uns die Schweiz als Vorbild dienen?
Die Schweizerinnen und Schweizer gönnen sich selbst eine Rentenerhöhung – um eine ganze Monatszahlung. Statt zwölf Mal im Jahr wird die gesetzliche AHV-Rente künftig dreizehn Mal ausgezahlt. Beschlossen hat unser Nachbarland dies am vergangenen Wochenende per Volksabstimmung. 58 Prozent der Abstimmenden kreuzten das Ja an. Betroffen ist die AHV-Rente: Sie sichert im dreisäuligen gesetzlichen Rentensystem das Existenzminimum. Jetzt muss die Finanzierungsfrage geklärt werden. Gleichzeitig wurde ein Volksentscheid für die Erhöhung des Rentenalters mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei fast 60 Prozent.
Damit ist zum ersten Mal eine Volksinitiative zum Sozialausbau erfolgreich – das hatte es in der fast zweihundertjährigen Geschichte der direkten Demokratie in der Schweiz noch nie gegeben. Die 13. Rente im Nachbarland bewegt auch das mediale Deutschland – von Bild bis taz. „Warum gibt es keine 13. Renten-Zahlung bei uns?“, fragt die Bild. Und: „Können wir das in Deutschland nicht einfach auch per Volksabstimmung ändern?“ Unser Bundesvorstandssprecher Ralf-Uwe Beck erklärt der Zeitung, warum das nicht so einfach ist: Bei der Bundesgesetzgebung gibt es die Möglichkeit des Volksentscheides nicht.
„Das ist für mich eine der größten Demokratie-Baustellen, die wir haben.“
Zwar spricht sich in Umfragen stets eine deutliche Mehrheit von zwei Dritteln aufwärts für die Einführung des bundesweiten Volksentscheids aus. Doch die Parteien bleiben skeptisch. Vor ein paar Jahren strichen die Grünen die Forderung aus ihrem Parteiprogramm. Die Begründung: Der Brexit (der nicht per Volksentscheid von unten beschlossen wurde, sondern durch ein populistisches Plebiszit von oben) und Angst vor Populismus, der aber auch ganz ohne Volksentscheide fröhlich voranmarschiert. Mehr Demokratie argumentiert: Die direkte Demokratie kann Populismus sogar das Wasser abgraben. Schließlich wirkt sie als „Frustschutzmittel“ (Beck).
Für die Einführung des bundesweiten Volksentscheids müsste das Grundgesetz geändert werden. Dafür bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die ist aktuell nicht in Sicht. Am Lautesten fordert derzeit die in Teilen rechtspopulistische, in Teilen rechtsextremistische AfD den bundesweiten Volksentscheid. Doch Volksentscheid ist nicht gleich Volksentscheid. Das AfD-Modell würde fatale Auswirkungen für unsere Demokratie haben; warum, das erklären wir hier.
Wir empfehlen die Lektüre des Standardwerks „Mehr direkte Demokratie wagen. Volksentscheid und Bürgerentscheid: Geschichte | Praxis | Vorschläge“ das unlängst in vierter, überarbeiteter Auflage erschienen ist. Nicht zuletzt haben wir selbst einen Gesetzentwurf für die Einführung des bundesweiten Volksentscheids erstellt. Die Broschüre dazu können Sie hier downloaden.
Weitere Informationen
- Gesetzentwurf-Broschüre für die Einführung des bundesweiten Volksentscheid
- Mehr Demokratie lehnt AfD Vorschlag zu bundesweiten Volksentscheiden ab
- Sammelband: Mehr direkte Demokratie wagen
- Zur Entscheidung direkte Demokratie aus dem grünen Grundsatzprogramm zu streichen
- taz Artikel vom 05. März 2024
- Bild Artikel vom 04. März 2024