Briten dürfen über neues Wahlrecht abstimmen

[28/10] Mehr Demokratie: Abkehr vom reinen Mehrheitswahlrecht ist zu begrüßen

 

Der britische Vize-Premier Nick Clegg kündigte heute (6. Juli) ein Referendum über eine Wahlrechtsreform in Großbritannien für den 5. Mai 2011 an. Nach dem Vorschlag der Liberaldemokraten soll das Verfahren „Alternative Vote“ das bisherige Mehrheitswahlrecht ablösen. „Wir begrüßen die britischen Pläne, das reine Mehrheitswahlrecht abzuschaffen“, sagt Michael Efler, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie.

 

„Das von den Liberaldemokraten vorgeschlagene Verfahren 'Alternative Vote' sieht ein Präferenzwahlverfahren vor, das den Einfluss der Wählerinnen und Wähler stärkt“, so Efler. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden bei diesem Verfahren auf der Wahlliste je nach Präferenz durchnummeriert. „Beim Präferenzwahlrecht können die Wähler ihre Stimme ohne Bedenken dem bevorzugten Kandidaten geben, auch wenn dieser nur geringe Chancen auf einen Sieg hat. Denn falls er den Wahlkreis nicht gewinnt, können auch die restlichen, durchnummerierten Kandidaten noch zum Zuge kommen. Die abgegebene Stimme ist also nicht verloren“, erklärt Efler. Mit der Präferenzwahl werde es deshalb unwahrscheinlicher, dass Wähler nur aus taktischen Gründen aussichtsreiche Kandidaten wählten und eigentlich bevorzugte Kandidaten kleinerer Parteien leer ausgingen.

 

Allerdings würde auch das Verfahren „Alternative Vote“ weiterhin zu einer Verzerrung des Wahlergebnisses zugunsten der großen Parteien führen. Denn auch bei diesem Wahlverfahren müssen Kandidaten ihren Wahlkreis mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewinnen. „Das ist für kleinere Parteien nahezu unmöglich“, so Efler. „'Alternative Vote' stärkt, wie auch das vorherige Mehrheitswahlrecht, die Vormachtstellung großer Parteien“.

 

Positiv bewertet Mehr Demokratie jedoch die Möglichkeit der Briten, über ein neues Wahlrecht selbst zu entscheiden. „Mit dem angekündigten Referendum wird den Bürgerinnen und Bürgern in Großbritannien die Entscheidung über ein neues Wahlrecht in die eigenen Hände gelegt. Uns Deutschen bleibt ein solches Mitbestimmungsrecht leider verwehrt“, sagt Efler. Eine Reform des deutschen Wahlrechts sei jedoch längst überfällig. 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht Teile des Bundestagswahlrechts für verfassungswidrig erklärt.

 

Auch Bundespräsident Christian Wulff plädierte in seiner Antrittsrede für eine Reform des Wahlrechts, um Bürgerinnen und Bürgern mehr Einfluss auf die Listen zur Bundestagswahl einzuräumen. Bereits seine Vorgänger Roman Herzog, Johannes Rau und Horst Köhler hatten sich für mehr Demokratie beim Wählen ausgesprochen. „Wir begrüßen den Vorstoß Wulffs und hoffen, dass das Votum des Bundespräsidenten nicht ungehört bleibt“, sagt Efler. „Darüber hinaus fordern wir jedoch auch die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen, so dass Bürgerinnen und Bürger in Zukunft selbst wichtige Reformen wie eine Wahlrechtsänderung anschieben können.“

 

Mehr Demokratie setzt sich in Deutschland für eine Reform des Wahlrechts auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene ein. Auf Landesebene nutzte der Verein mehrmals das Instrument des Volksbegehrens, um mit Hilfe der direkten Demokratie bürgerfreundlichere Wahlrechte durchzusetzen.

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