Gutachten zu CETA: „vorläufige“ Anwendung des Handelsvertrages kann zum Dauerzustand werden

Bündnis startet Petition an Gabriel

  • Die EU will CETA „vorläufig“ in Kraft setzen; das entwertet die Ratifikationen durch die nationalen Parlamente
  • Bündnis aus BUND, Campact, Greenpeace, foodwatch und Mehr Demokratie startet E-Mail-Petition an Wirtschaftsminister Gabriel, der „vorläufigen“ Anwendung von CETA nicht zuzustimmen
  • ZDF-Kabarettist Max Uthoff („Die Anstalt“) nimmt in Online-Sketch die „vorläufige“ Anwendung aufs Korn

Berlin, 22. August 2016. Wenn das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada wie geplant „vorläufig“ angewendet wird, kann daraus ein Dauerzustand werden. Der Grund: Selbst wenn ein nationales Parlament den CETA-Vertrag nicht ratifiziert, könnte das Abkommen trotzdem weiter angewendet werden. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Völkerrechtlers Prof. Wolfgang Weiß von der Universität Speyer. „Die ‚vorläufige‘ Anwendung des CETA-Vertrags macht die nationalen Ratifikationen zum sinnentleerten Geschehen“, kritisierte Weiß. Die EU-Kommission plant, das Freihandelsabkommen CETA als Ganzes „vorläufig“ in Kraft zu setzen, noch bevor eines der nationalen Parlamente der EU darüber abgestimmt hat.

Um die „vorläufige“ Anwendung des CETA-Vertrages zu stoppen, starten die Organisationen BUND, Campact, Greenpeace, foodwatch und Mehr Demokratie eine gemeinsame E-Mail-Petition an Sigmar Gabriel. Darin rufen sie den Wirtschaftsminister dazu auf, einem entsprechenden Beschluss im EU-Ministerrat nicht zuzustimmen. „Sonst werden Parlamente zu nachgeordneten Notariatsstuben degradiert“, kritisierte Roman Huber, geschäftsführender Bundesvorstand von Mehr Demokratie. „Das geplante Vorgehen der EU-Kommission ist verfassungsrechtlich mit guten Chancen angreifbar.“

CETA greift als Freihandelsabkommen einer neuen Generation massiv in das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger ein. Dabei ist das europäisch-kanadische Abkommen keineswegs harmloser als TTIP, der noch nicht fertig verhandelte Vertrag zwischen EU und USA. Beide hätten erhebliche Auswirkungen auf europäische Standards zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern.

Das Vorsorgeprinzip – ein Kernprinzip des Gesundheitsschutzes der EU – ist mit CETA gefährdet. Auf den rund 1.600 Seiten des Vertrages werde es nicht ein einziges Mal erwähnt, kritisierte Matthias Flieder, Handels-Experte von Greenpeace: „Bisher ermöglicht es das Vorsorgeprinzip, Gentechnik, Pestizide und Chemikalien zu verbieten, solange Risiken für die Gesundheit nicht klar ausgeschlossen sind. Das wäre mit CETA kaum mehr möglich.“ Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), ergänzte: „Die EU-Kommission hat es versäumt, in CETA das Vorsorgeprinzip zu verankern. Standards zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt stehen bereits jetzt unter Beschuss, wie wir am Beispiel hormonell wirksamer Schadstoffe erleben. Kommt CETA, so würde das Vorsorgeprinzip vollständig ausgehebelt werden – ein Super-GAU für Verbraucher und Umwelt.“

Im CETA-Vertrag werden zudem Ausschüsse gebildet, deren Befugnisse demokratisch nicht legitimiert sind und die in die Regelungshoheit von Bundestag und Bundesrat eingreifen. Selbst wenn nur Teile von CETA „vorläufig“ angewendet werden, bekommen die Bürgerinnen und Bürger die Konsequenzen zu spüren, noch bevor ihre Repräsentanten, die Parlamentarier, darüber abgestimmt haben. „Das höhlt unsere Demokratie aus“, sagte Maritta Strasser, verantwortliche Campaignerin bei Campact. „Es ist deshalb wichtig, dass so viele Bürgerinnen und Bürger wie möglich unsere Petition an Minister Gabriel unterschreiben.“

Dass die „vorläufige“ Anwendung geradezu absurde Züge annehmen könnte, zeigt ein Video der ZDF-Macher von „Die Anstalt“. In einem eigens für das Bündnis produzierten Sketch nimmt Max Uthoff als „CETA-Lobbyist“ das Freihandelsabkommen aufs Korn. „Wir freuen uns sehr über diese bitterböse Satire, die CETA auf die Spitze treibt“, so foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. „Leider ist das geplante Abkommen mit Kanada alles andere als ein Spaß. Wenn die ‚vorläufige‘ Anwendung erst einmal vom EU-Ministerrat abgesegnet wurde, kann aus ‚vorläufig‘ schnell ‚endgültig‘ werden.“

 

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