[71/11] SPD-Parteitag spricht sich für bundesweite Volksentscheide und gegen hohe Quoren aus
Am Sonntag (4.12) wurde auf dem SPD-Parteitag in Berlin ein Konzept zum Ausbau der Demokratie in der Bundesrepublik beschlossen. Der Antrag „Mehr Demokratie leben“ wurde im Rahmen der SPD-Zukunftswerkstatt „Demokratie und Freiheit“ ausgearbeitet und vom Parteivorstand eingebracht.
Mehr Demokratie begrüßt den Beschluss, der eine große Mehrheit im Plenum fand: „Die SPD hat sich eindeutig für die Einführung bundesweiter Volksentscheide ausgesprochen. Das ist ein zukunftsweisendes Zeichen für die Demokratie in Deutschland.“, sagt Michael Efler, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. „Gleichzeitig muss bei der Einführung direktdemokratischer Elemente auf faire Spielregeln geachtet werden.“ Im Antrag ist ein Beteiligungsquorum von 20 Prozent für bundesweite Volksentscheide vorgesehen.
Erfreut zeigte sich der Verein darüber, dass sich eine große Mehrheit der Delegierten gegen ein weitaus höheres Quorum aussprach. Die Berliner SPD hatte einen Änderungsantrag auf die Einführung eines Zustimmungsquorums von 25 Prozent eingebracht, der abgelehnt wurde. „Die Erfahrungen zeigen: Zustimmungsquoren führen dazu, dass Mehrheiten über Minderheiten entscheiden.“, so Efler. „Mehr als die Hälfte der Volksentscheide, für die ein Zustimmungsquorum gilt, scheitern. Der Großteil, obwohl eine Ja-Mehrheit in der Abstimmung erreicht wurde“. Menschen, die sich nicht an einer Abstimmung beteiligen, werden bei einem Zustimmungsquorum automatisch der Nein-Seite zugerechnet. Damit treten Gegner und Befürworter unter ungleichen Bedingungen an.
In der Aussprache zu dem vom Parteivorstand eingebrachten Leitantrag betonte Heiko Maas, Mitglied des Bundesvorstands der SPD, dass die Einführung von Volksentscheiden ein wesentlicher Impuls sei, um die Demokratie in Deutschland neu zu beleben. Gerade mit Blick auf die großen politischen Fragen sei es entscheidend, nicht nur im Parlament, sondern in der gesamten Gesellschaft Mehrheiten zu finden. Die Position der Partei zur direkten Demokratie dürfe aber nicht davon abhängen, ob sie sich gerade in der Regierung oder in der Opposition befinde.
Bereits 2002 hatte die SPD gemeinsam mit den Grünen im Bundestag einen Gesetzentwurf zur Einführung bundesweiter Volksentscheide eingebracht. Diese bedarf aber der Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Grundgesetzes und scheiterte damals am Widerstand von Union und FDP. Zu erwarten ist, dass die SPD noch in dieser Wahlperiode einen erneuten Versuch unternehmen wird.
Auf dem Parteitag der Piratenpartei, der an diesem Wochenende (3. bis 4.12) in Offenbach stattfand, wurde der Antrag zur Weiterentwicklung der direkten Demokratie in Anlehnung an den von Mehr Demokratie ausgearbeiteten Gesetzentwurf nicht behandelt. Im Rahmen des Beschlusses über einen Antrag zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens sprach sich das Plenum jedoch mehrheitlich für die Einführung bundesweiter Volksentscheide aus.