Mehr Demokratie: EZB-Kompetenzen müssen politisch neu geregelt werden

[12/16] Mehr Demokratie: EZB-Kompetenzen müssen politisch neu geregelt werden

Mit der Urteilsverkündung zum Outright Monetary Transaction (OMT)-Programm der Europäischen Zentralbank EZB ist heute (21. Juni) das bisher längste Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu Ende gegangen. Das Programm zum Aktien- und Anleihenkauf überschreite noch nicht die währungspolitischen Kompetenzen der EZB, entschieden die Karlsruher Richter. Die vom Verein Mehr Demokratie initiierte und von 37.000 Bürgern unterstützte Verfassungsbeschwerde wurde damit in ihrem letzten offenen Teil abgewiesen. Zugleich legte das Gericht allerdings fest, dass sich die Bundesbank an der Durchführung des OMT-Programms nur unter bestimmten Auflagen beteiligen darf. Mehr Demokratie wertet das als inhaltlichen Teilerfolg: „Das Gericht verpflichtet die Bundesbank, bei Eurorettungsmaßnahmen darauf zu achten, dass diese in Laufzeit und Volumen begrenzt und kontrollierbar bleiben. Zudem werden Bundesregierung und Bundestag dazu verpflichtet, solche Maßnahmen dauerhaft zu beobachten“, so Roman Huber, geschäftsführender Bundesvorstand von Mehr Demokratie.

„Das Urteil zeigt auch, dass Verfassungsgericht und EuGH vor einem Dilemma stehen: Die Europäischen Verträge halten den aktuellen Herausforderungen im Grunde nicht mehr Stand. Die Gerichte müssen aber im Rahmen der geltenden Bestimmungen urteilen“, erklärt Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, die die Beschwerdeführenden als Prozessbevollmächtigte vertritt. „Der große Erfolg unserer Verfassungsbeschwerde ist es, den Diskurs über die Demokratiefrage jenseits von finanz- und währungspolitischen Themen angestoßen zu haben. Das Bundesverfassungsgericht hat ja im gesamten Verfahren immer wieder die Kontroll- und Informationsrechte des Bundestages gestärkt. Wir haben also die rechtliche Klarstellung erreicht, dass unbegrenzte Souveränitätsabgaben ohne demokratische Legitimation nicht möglich sind.“

Die Debatte um die Macht der EZB müsse nun auf die politische Ebene zurückverlagert werden, sagt Roman Huber. „Wir haben natürlich gehofft, dass das Bundesverfassungsgericht bei seiner ersten Einschätzung bleibt, dass die EZB mit ihrer Ankündigung, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, über ihr Mandat zur Geldpolitik hinausgeht. Aber die EZB ist den Gerichten ohnehin immer einen Schritt voraus. Dieses Problem muss nun politisch gelöst werden, von den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten unter Einbeziehung der Parlamente und Bürger.“

Tatsächlich hat die EZB schon weitere milliardenschwere Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, während noch über das OMT-Programm verhandelt wurde. „Die EZB steuert wirtschaftspolitisch mittlerweile den gesamten Euroraum, ohne dass dies demokratisch legitimiert wäre“, erläutert Huber. „Wenn man der EZB wirtschaftspolitische Kompetenzen zugestehen will, müssen die Europäischen Verträge geändert werden. Das Machtgefüge in Europa kann nur unter Beteiligung der Parlamente und den Bürgern neu justiert werden.“

Mehr Demokratie werde das Thema Kompetenzverteilung und demokratische Legitimation der EU-Politik weiterverfolgen, kündigt der Verein an. „Wir müssen die Gewaltenteilung in Europa neu denken. Das geht nur mit einem Europäischen Konvent, der in den Verträgen auch vorgesehen ist. Diskutiert werden muss zum Beispiel eine von der EZB unabhängige Aufsichtsbehörde zur Kontrolle der Banken und Finanzmärkte“, sagt Huber.

 

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