Direkte Demokratie im Test: "Der Shootingstar ist Berlin"

<typohead type=5>[4/07] Zweites Volksentscheid-Ranking: Deutsche Bundesländer und Gemeinden im Demokratievergleich</typohead>

 

Zum zweiten Mal legt die Initiative Mehr Demokratie ein "Volksentscheid-Ranking" der 16 Bundesländer vor. Für diesen Demokratie-Test wurden die Gesetze für kommunale Bürgerentscheide und landesweite Volksentscheide in den Ländern unter die Lupe genommen und verglichen.

Im Vergleich zum ersten Ranking aus dem Jahr 2003 ist die direkte Demokratie in den Bundesländern tendenziell ein kleines wenig bürgerfreundlicher geworden. Fortschritte sind in der Regel aber nur in kleinen Schritten messbar. Einzig das Land Berlin hat einen riesigen Sprung in die direkte Demokratie gewagt: 2003 landete Berlin beim Volksentscheid-Ranking noch auf dem 16. und damit letzten Platz. Vier Jahre später hat die Bundeshauptstadt den Sprung an die Spitze geschafft. "Berlin ist damit zur Zeit der Shooting-Star der direkten Demokratie", meint Gerald Häfner,

Vorstandssprecher der Initiative Mehr Demokratie. Denn zusammen mit Bayern teilt sich Berlin im Demokratievergleich 2007 den ersten Platz.

Erreichen konnte Berlin dies mithilfe einer sehr bürgerfreundlichen Regelung auf der Bezirksebene. Erst 2005 wurden in der Hauptstadt Bürgerbegehren und Bürgerentscheide eingeführt. Seither wird dieses Instrument der direkten

Demokratie sehr lebhaft von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen. Parallel zu den Abgeordnetenhauswahlen 2006 wurde darüber hinaus in einer Volksabstimmung die Volksgesetzgebung auf Landesebene reformiert.

Erst auf Platz drei folgt die Freie Hansestadt Hamburg. Den dritten Platz in der Gesamtwertung belegt das Bundesland nur aufgrund der sehr guten Regelungen auf Bezirksebene. Auf Landeseben erhält Hamburg in diesem Ranking ein "mangelhaft" und landet damit auf Platz 13 der Landeswertungen.

Ausschlaggebend hierfür ist die Praxis der Hamburger Regierung, die in den vergangenen Jahren zweimal einen Volksentscheid ignorierte (Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser, Wahlrecht). Aufholen könnte die Hansestadt ihren Prestigeverlust mithilfe des derzeit laufenden Volksbegehrens. Darin fordern die Initiatoren (ein breites Bündnis verschiedener Initiativen, Parteien und Gewerkschaften) die Verbindlichkeit von Volksentscheiden.

Die Hürden, die die Bürger zu überwinden haben, sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Während z.B. in Schleswig-Holstein die Unterschriften von fünf Prozent der Stimmberechtigten für ein Volksbegehren ausreichen, sind in

Hessen und im Saarland zwanzig Prozent erforderlich.

Kein einziges Bundesland erreicht diesmal die Note "gut". Berlin, Bayern und Hamburg schneiden mit einem "befriedigend" ab. Alle drei Länder schneiden beim lokalen Bürgerentscheid gut oder sogar sehr gut ab und können als gelungene Modellfälle für die lokale Direktdemokratie gelten. Die direktdemokratischen Verfahren auf Landesebene sind jedoch noch reformbedürftig.

Den letzten Platz im Ranking belegt das Saarland, aber auch Baden-Württemberg, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern schneiden nur mit einem "mangelhaft" ab. "In diesen Ländern", so Häfner, "ist die direkte Demokratie ein Papiertiger."

"Insgesamt ist das Ergebnis des Demokratie-Tests eher ernüchternd" befindet Häfner: "Wir mussten leider sieben Mal die Note ausreichend, sechs mal sogar mangelhaft vergeben."

Dabei zeigt sich: Je niedriger die Hürden, desto häufiger bestimmen die Bürger mit. Beispiel Kommunalebene: 929 lokale Bürgerentscheide zählte Mehr Demokratie in Bayern. Im Saarland - dass die höchsten Quoren vorschreibt - fand dagegen noch nie ein Bürgerentscheid statt.

Auch auf Landesebene sind die Unterschiede groß: Erst in fünf der 16 Bundesländer - Bayern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Sachsen-Anhalt - gelang es den Bürgern, per Volksbegehren eine landesweite

Volksabstimmung einzuleiten. Die bekanntesten Beispiele sind die Volksentscheide für die Abschaffung des Senats in Bayern und gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein.

"Wir verzeichnen in Deutschland einen erfreulichen Siegeszug der direkten Demokratie", konstatiert Gerald Häfner. "Sie hat sich flächendeckend in Gemeinden und Ländern durchgesetzt. Unser Demokratie-Test zeigt jedoch, dass dieser Zug in den meisten Ländern eher einem klapprigen Waggon als einem modernen ICE gleicht. Die Hürden für Bürger- und Volksentscheide sind in der Mehrzahl der Länder zu hoch, darum steht die direkte Demokratie meist noch auf dem Abstellgleis. Doch wir finden in Deutschland glücklicherweise auch bürgerfreundliche Verfahren, die zur Lokomotive für faire Volksrechte werden können."

Das Ranking als Download finden Sie unter:

mehr-demokratie.de/ranking.html

 

 

 

Mehr Demokratie e.V.

 

Bundesverband

 

Pressesprecherin Karin Flothmann

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