Haupt-Ablehnungsgrund ist Intransparenz

[27/08] Nach dem Referendum: Mehr Demokratie kritisiert unsachliche Debatte

 

Mit ihrem Nein zum EU-Reformvertrag bei relativ hoher Wahlbeteiligung von 53 Prozent haben die Iren den Unmut der Europa-Politiker auf sich gezogen. Nun wird versucht, die Legitimations-Krise damit zu begründen, dass ein kleines Land auf Grund populistischer und nationalstaatlicher Vorstellungen aus der Reihe getanzt sei. Mehr Demokratie kritisiert diese Darstellung auf Basis einer Umfrage des Instituts TNS mrbi als undifferenziert und verkürzt.

 

"Das Scheitern des Referendums kann nicht allein mit der Angst der Iren vor steigender Unternehmessteuer und drohender Abtreibungs-Legalisierung begründet werden, wie oft fälschlich behauptet", sagt Gerald Häfner, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. "Statt zu überlegen, wie man den Bremsklotz Irland loswerden kann, sollten sich Politiker lieber nach den tatsächlichen Gründen für die Ablehnung fragen."

 

Eine Umfrage dazu hatte das Institut TNS mrbi bereits im Vorfeld des Referendums für die Irish Times gemacht. Die meisten Nein-Sager (30 Prozent) begründeten demnach ihre Ablehnung mit der Unverständlichkeit des Vertrags. 24 Prozent gaben an, Irlands Einfluss und Identität wahren zu wollen, 22 Prozent sahen den Schutz der Neutralität als wichtigsten Ablehnungsgrund. Wesentlich seltener wurden Gründe wie die Angst vor zunehmender Einwanderung (8 Prozent) oder vor einem Anstieg der Körperschaftssteuer (5 Prozent) genannt. Protest gegen die Regierung war lediglich für 5 Prozent ein Grund, mit "Nein" zu stimmen.

 

"Die wahren Gründe für die Ablehnung werden verschleiert", kritisiert Häfner. Es sei falsch zu behaupten, das "Nein" der Iren läge nicht im Vertrag selbst, sondern in irgendwelchen merkwürdigen Eigeninteressen begründet. "Die Intransparenz des Vertrags und die Angst vor Souveränitätsverlust sind Ablehnungsgründe, die in anderen Ländern genau zum gleichen Ergebnis geführt hätten, hätte man die Bürger nur gefragt."

 

Interessant ist auch die am häufigsten genannte Begründung für ein "Ja" zum EU-Reformvertrag: 36 Prozent der Befragten gaben an, Irland nicht blamieren oder an den Rand der Staatengemeinschaft drängen zu wollen. "Diese Angst der Iren hat in der Tat wenig mit dem Vertrag selbst zu tun, sondern eher mit dem enormen Druck, der von innen und außen auf die Abstimmenden ausgeübt wurde", sagt Häfner.

 

Dass Irland jetzt tatsächlich zum Sündenbock stilisiert wird, ist für Mehr Demokratie ein Grund mehr, einen neuen und ergebnisoffenen Abstimmungsprozess über die gemeinsamen Grundlagen der EU zu fordern. "Es kann nicht sein, dass ein von der Bevölkerung offenkundig nicht akzeptierter Verfassungstext einfach mit neuem Etikett versehen und den Bürgern in absichtlich undurchsichtiger Formulierung nochmals untergeschoben wird", so Häfner. "Dieses Verfahren ist undemokratisch und versucht, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen. Dass dies nicht der richtige Weg hin zu einem zukunftsfähigen Europa sein kann, hat das Irland-Referendum deutlich gezeigt."

 

Umfrage Irish Times/TNS mrbi: www.ireland.com/focus/thelisbontreaty/analysis/polls/060608/index.htm

 

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