Europäische Bürgerinitiative "Right2Water":
Positive Antwort von EU-Kommission

Als erste Europäische Bürgerinitiative (EBI) hatte „Right2Water – Wasser ist ein Menschenrecht“ am 17. Februar eine öffentliche Anhörung vor der EU-Kommission und dem Umweltausschuss des Europäischen Parlaments. Heute antwortete die EU-Kommission und kündigte konkrete Maßnahmen an.

Von Charlie Rutz

UPDATE vom 19. März 2014

Heute antwortete die EU-Kommission auf die erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative "Right2Water". Die Pressemitteilung der EU-Kommission dazu kann hier heruntergeladen werden und die ausführliche Antwort hier (siehe auch die Infoseite der EU-Kommission...). 

Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission, erklärte: „Die Bürgerinnen und Bürger Europas haben ihr Anliegen vorgebracht, und die Kommission hat heute positiv darauf reagiert. Als direktes Ergebnis dieses ersten gesamteuropäischen, bürgergesteuerten Demokratieprozesses kommen verbesserte Wasserqualität, Infrastruktur, Abwasserentsorgung und Transparenz allen Menschen – in Europa und in den Entwicklungsländern – zugute. Ich beglückwünsche die Organisatoren zu ihrem Erfolg.“

Ralf-Uwe Beck, Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie, stellt dazu fest: Die Kommission macht deutlich, dass sie das Anliegen der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ernst nimmt und kündigt auch konkrete Maßnahmen an. Das ist sehr erfreulich. Es bleibt jedoch abzuwarten, was dabei verbindlich auf Ebene der Gesetzgebung herauskommt. Und es zeigt sich auch: das Instrument ist nach wie vor zahnlos, die Initiatoren sind auf das Wohlwollen der Kommission angewiesen. Da gibt es deutlichen Nachbesserungsbedarf.“

Unsere ausführliche Pressemitteilung dazu gibt es hier...

Nun folgend die Aufzeichnung des in englischer Sprache im Namen der EU-Kommission durch Maroš Šefčovič (Vizepräsident der EU-Kommission) abgegebenen Statements:

UPDATE vom 18. Februar 2014

Für den Mitbegründer von Mehr Demokratie und EU-Abgeordneten Gerald Häfner ist die gestrige Anhörung der EU-Bürgerinitiative „Right2Water“ ein historisches Ereignis. In seinem Blog schreibt er unter anderem: „Diese erste Anhörung ist ein Auftakt zu mehr Partizipation in der europäischen Politik und eine Genugtuung für alle, die dazu beigetragen haben, diesen Schritt möglich zu machen – darunter auch für 1,9 Millionen Menschen, die die Initiative ‚Wasser ist ein Menschenrecht‘ unterschrieben haben.“ Aus seiner Sicht sprechen die unterschiedlichen Beiträge bei der Anhörung vor der EU-Kommission und dem Umweltausschuss des Europäischen Parlaments eine deutliche Sprache: „Wasser ist ein öffentliches Gut. Die Wasserver- und -entsorgung muss öffentlich garantiert und darf nicht privatisiert werden. Wasser ist Menschenrecht, denn ohne Wasser kein Leben.“

Cora Pfafferott von unserer Partnerorganisation Democracy International, die vor Ort in Brüssel im bis zum letzten Platz gefüllten Anhörungssaal saß, erlebte eine sehr konzentrierte und interessante Debatte. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso war nicht anwesend. „Das ist schade, denn dieser Tag ist ein erster wichtiger Schritt für mehr Demokratie in Europa“, so Pfafferott. Sie unterstreicht jedoch im gleichen Atemzug: „Dennoch ist die derzeitige Ausgestaltung der Europäischen Bürgerinitiative nicht akzeptabel. Wir fordern weiter mit Nachdruck verbindliche direktdemokratische Instrumente auf EU-Ebene, damit die Menschen selbst über ihr politisches Zusammenleben in Europa entscheiden können.“ In dieselbe Kerbe schlägt Bruno Kaufmann, Mitglied von Democracy International und Direktor vom Initiative & Referendum Institute Europe: „Die Europäische Bürgerinitiative ist das allererste Instrument für direkte Demokratie auf transnationaler Ebene. Wie die Anhörung gezeigt hat, liegen die stärksten Möglichkeiten der EBI im Bereich des Anstoßens einer öffentlichen Debatte, während alle Aspekte der Entscheidungsfindung noch außerhalb ihrer Reichweite sind. Dieser rein konsultative Charakter schwächt die gesamte Anwendungskette zutiefst und sollte daher offen angesprochen werden." 

Wie Deutsche Welle heute berichtet, gibt es positive Töne seitens der EU-Kommission: "Heute ist ein sehr wichtiger Tag für eine Demokratie von unten. Zum ersten Mal in der Geschichte der EU ist ein Bürgerbegehren erfolgreich auf den Weg gebracht worden", wird Maros Sefcovic zitiert, Vize-Präsident der EU-Kommission. Der öffentliche Druck zeigt also Wirkung!

UPDATE vom 17. Februar 2014

Die heutige Anhörung der EU-Bürgerinitiative "Right2water" ("Wasser ist ein Menschenrecht") vor der EU-Kommission und dem Umweltausschuss des EU-Parlaments wird hier ab 15 Uhr per Livestream übertragen. Im Anschluss daran wird die Kommission eine Stellungnahme verfassen, in der sie erläutert, welche Maßnahmen sie als Antwort auf die Bürgerinitiative vorschlägt oder was die Gründe für eine Ablehnung des Anliegens der EBI sind. Diese Stellungnahme zur Wasser-EBI wird bis spätestens 20. März 2014 erwartet. Eine Übersicht zu allen aktuellen und laufenden EBI gibt es hier.

"Wir versprechen uns von der heutigen Anhörung, dass die EU-Kommission das Anliegen der Initiatoren ernst nimmt und Konsequenzen aus der erfolgreichen Initiative zieht", stellt unser Bundesvorstandssprecher Michael Efler fest. Bereits im Juni 2013 erklärte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier aufgrund des großen durch die EU-Bürgerinitiative erzeugten öffentlichen Drucks (siehe u.a. Spiegel Online), die Wasserversorgung von der geplanten EU-Konzessionsrichtlinie komplett ausnehmen zu wollen.

Hintergrundinformationen

Mit 1.857.605 gesammelten Unterschriften erreichte die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Wasser ist ein Menschenrecht“ bereits vor dem offiziellen Ende der Zeichnungsfrist einen beachtlichen Erfolg. "Das ist ein Riesenerfolg und gleichzeitig ein historisches Ereignis für die EU. Erstmals konnte eine EU-Bürgerinitiative die hohen Formalkriterien erfüllen und als kurzfristigen Erfolg die Privatisierung der Trinkwasserversorgung in Europa abwenden", erklärten AK-Präsident Rudolf Kaske und der nationale Koordinator der Europäischen Bürgerinitiative (EBI), Thomas Kattnig. Im nächsten Schritt werden alle Unterschriften auf ihre Gültigkeit geprüft und dann der EU-Kommission vorgelegt, die maximal drei Monate Zeit hat, darauf zu reagieren.

Bereits am 9. Februar 2013 hatten die EBI-Initiatoren über eine Million Unterschriften sammeln können. Diese Grenze musste erreicht werden, damit sich die EU-Kommission mit dem Thema befasst und eine Gesetzesinitiative abwägt. Die hinter der EU-Bürgerinitiative "Right 2 Water" stehenden Verantwortlichen setzten sich daraufhin ein neues Ziel: Zwei Millionen Unterschriften! Anfang Mai 2013 nahm die Initiative schließlich auch die letzte formale Hürde, um von der EU-Kommission angehört werden zu können: 7 Länder mit Mindestquorum (Anzahl der EU-Parlamentarier pro Land x 750). Luxemburg, Finnland und Litauen erreichten als sechstes bis achtes Land das Mindestquorum. Zuvor erlangten dies bereits Deutschland, Österreich, Belgien, Slowenien und die Slowakei.

EU-Kommission beeindruckt

Die überwältigende Unterstützung für die EBI ließ auch die EU-Kommission nicht kalt: Am 21. Februar gab der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bekannt, dass die EU-Kommission bezüglich der öffentlichen Wasserversorgung weniger Stadtwerke zu europaweiten Ausschreibungen verpflichten will. So soll die Wasserversorgung immer nur dann ausgeschrieben werden, wenn ein Stadtwerk nicht mindestens 80 Prozent seines Umsatzes in der Heimatkommune macht. Bedingung dafür sei jedoch eine strikte "buchhalterische" Trennung der Wasserversorgung von anderen Sparten wie beispielsweise Strom. „Es ist gut, dass die EU-Kommission die EBI ernst zu nehmen scheint und ihre Pläne korrigiert hat“, so unser Bundesvorstandssprecher Michael Efler. 

Bei der Vergabe von Wasserverträgen sollen die Kommunen nun also unabhängiger von EU-Richtlinien sein als von der EU-Kommission ursprünglich geplant – die europaweite Ausschreibung von Wasserkonzessionen kann nach den neuen Vorschlägen in den meisten Fällen nicht erzwungen werden. „Dass die EU-Kommission in Sachen Liberalisierung der Wassermärkte nun zurückrudert, ist auch auf den öffentlichen Widerstand und die laufende Europäische Bürgerinitiative für ein Recht auf Wasser zurückzuführen“, so Efler. 

Im Zuge der EBI häuften sich vor allem in Deutschland und Österreich die kritischen Stimmen gegen die von der EU angestrebte Liberalisierung der Wasserwirtschaft – sowohl von Seiten der Bürgerinnen und Bürger als auch von Seiten der Gemeinden. „Unabhängig davon, wie man zum Inhalt der Wasser-Initiative steht – sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein politisch umstrittenes Thema durch die Bürgerinnen und Bürgern selbst in den Fokus der Medien und der Bevölkerung gerückt wird“, ergänzt Efler. Es sei wichtig, dass die Bevölkerung selbst initiativ werden könne, wenn sie sich von ihren Repräsentanten nicht angemessen vertreten fühle. „Die Europäische Bürgerinitiative bietet ein erstes Instrument, um auf EU-Ebene politischen Druck von unten aufzubauen – das beweist die Wasser-Initiative.“

Langfristig sollten nach Ansicht von Mehr Demokratie verbindliche direktdemokratische Instrumente auch auf EU-Ebene eingeführt werden: erfolgreiche Initiativen sollten nicht nur von Parlament und Kommission behandelt werden, sondern mit einer weiteren Unterschriftensammlung auch bindende Volksentscheide auslösen können.

Den EBI-Tag in Brüssel am 9. April 2013 nahm Mehr Demokratie als Anlass, um die jetzige Ausgestaltung dieses Beteiligungsinstruments auf europäischer Ebene kritisch zu hinterfragen und dazu aufzurufen, Druck auf die EU im Sinne einer Verbesserung auszuüben.

Protest gegen Liberalisierung der Wasserwirtschaft

Die vor allem von Gewerkschaften getragene EBI setzt sich für den freien Zugang zur Wasser- und sanitären Grundversorgung ein und protestiert gegen die von der EU angestrebte Liberalisierung der Wasserwirtschaft. Die Anzahl von Unterzeichnern war sprunghaft angestiegen, nachdem die Europäische Kommission einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte, der öffentlichen Behörden das Recht gibt, das Betreiben von öffentlichen Versorgungsanlagen privaten Firmen zu überlassen, unter anderem auch die Wasserversorgung („Richtlinie zu Konzessionen“).

„Wir befinden uns an einem entscheidenden Punkt, an dem die Europäische Union wieder einmal darum kämpft, eine moderne repräsentative Demokratie zu errichten, die auf Rechtsstaatlichkeit, Subsidiarität and Bürgerbeteiligung aufbaut“, sagt Bruno Kaufmann, Präsident des „Initiative and Referendum Institute Europe“. „Die Europäische Bürgerinitiative befindet sich momentan in einer sehr dynamischen Phase, wir können also einen Schritt machen von der Theorie zur Praxis der transnationalen Demokratie“, fügt Kaufmann hinzu.

Das „Initiative and Referendum Institute”, Mehr Demokratie und zahlreiche Aktivisten in ganz Europa haben eine Initiative, die 1991 vom Bürgernetzwerk „eurotopia“ ausging, zu einer breit angelegten Kampagne gemacht, die zum Beginn des neuen Jahrtausends startete. Die Europäische Bürgerinitiative wurde dann Teil des Verfassungsvertrags von 2003 und des Lissabonner Vertrags von 2009. Die EBI ist der erste demokratische Prozess, der zugleich direkt, digital und transnational ist. Um erfolgreich bei der Kommission Gehör zu finden, müssen eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU Mitgliedsstaaten gesammelt werden. „Die Initiative ‚Wasser ist ein Menschenrecht’ ist ein Musterbeispiel für Gesetzesvorschläge, die von Bürgern eingebracht werden. Sie ist gut organisiert und wird unterstützt von Gewerkschaften und bekannten Aktivisten in Europa“, erläutert Carsten Berg, der Direktor der EBI Kampagne – einer Basisbewegung aus Demokratieaktivisten, die sich für die erfolgreiche Implementierung des EBI-Instruments einsetzt.

„Dennoch müssen wir weiterhin die Infrastruktur der EBI verbessern, sodass es auch weniger durchsetzungsfähigen Initiatoren gelingt, die notwendige Anzahl an Unterschriften zu sammeln. Dafür muss auch ein neues, benutzerfreundliches Online-Sammlungssystem eingerichtet werden und die noch hohen Hürden müssen gesenkt werden“, verlangt Carsten Berg. Die ersten EBIs sind im Mai 2012 gestartet. Bis jetzt wurden 26 paneuropäische Initiativen bei der EU eingereicht. Vier davon wurden wieder zurückgezogen, sieben für unzulässig befunden und von der Europäischen Kommission abgelehnt. Zurzeit gibt es 15 aktive EBIs, die Unterschriften sammeln. Jede von ihnen hat ein Jahr Zeit, um die notwendige Unterschriftenzahl zu sammeln. Für die EBI „Wasser ist ein Menschenrecht“ können Unterschriften bis zum 1. November 2013 gesammelt werden. 

Weitere Informationen:

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