EBI-Tag in Brüssel: Civil Society, make it work!
Seit einem Jahr ist die Europäische Bürgerinitiative (EBI) in Kraft, aber weder Politik noch Nichtregierungsorganisationen sind mit diesem Instrument bisher zufrieden. Zunächst als ein erstes Werkzeug der Schaffung von transnationaler direkter Demokratie gefeiert, zeigte der „EBI-Tag“ am 09. April 2013 in Brüssel, dass die EBI-Anforderungen geändert werden müssen, damit diese zu einem einflussreichen und effektiven Gesetzgebungsinstrument werden kann.
Von Cora Pfafferott (Democracy International)
Übersetzung aus dem Englischen und Redaktion: Charlie Rutz & Oliver Engelbrecht

Die bürgergesellschaftlichen Organisationen Europas müssen ihre Verantwortung erkennen und logistisch sowie beratend tätig werden. Auf Basis der bisherigen Erfahrungen und Unzulänglichkeiten mit der EBI will die EU diese bis April 2015 überarbeiten. Wir, die Bürgerinnen und Bürger, sollten jetzt gemeinsam aktiv werden, z.B. mit unterschiedlichen Kampagnen, um auf diesen Prozess der Änderung des EU-Gesetzes zur EBI direkten Einfluss zu gewinnen. Mit diesen Gedanken kamen wir aus Brüssel in unser „Democracy International“-Büro in Köln zurück.
Diese Reise dauert etwa zwei Stunden per Auto - wenn man nicht gerade im Stau steht. Doch genau das passierte uns zwischen Antwerpen und Lüttich. Daher hatten Ronald Pabst, Daniel Schily, unser Praktikant Andreas Müller und ich genug Zeit, um uns über die Vorträge, die wir in den vergangenen acht Stunden beim European Economic and Social Committee (EESC) gehört hatten, Gedanken zu machen. Dieses Komitee ist ein Beirat der EU und definiert sich über den Wahlspruch „Eine Brücke zwischen Europa und der organisierten Zivilgesellschaft“.

Die Brücke überqueren
Das EESC hat dieses Event in Zusammenarbeit mit dem European Action Service (ECAS), IRI Europe und Democracy International ausgerichtet. Auch Euronews war präsent und machte Bilder für die EU. Entsprechend dem Slogan des EESC repräsentierten die etwa 100 Teilnehmer der Konferenz die organisierte Zivilgesellschaft und trafen sich mit Europa beziehungsweise der EU, die unter anderem durch den zuständigen EU-Kommissar Maroš Šefčovič vertreten wurde. In seiner Rede bezeichnete Kommissar Šefčovič die EBI als “Erfolg”, schränkte diese Aussage jedoch im Folgenden ein.
Er gab zu, dass die EU-Kommission den Datenschutz und die Softwareanforderungen in punkto elektronischer Einreichung und Bearbeitung von EBIs unterschätzt habe und betonte, dass sich die EU im Zusammenhang mit der EBI auf ihre Rolle als Bereitsteller der entsprechenden Software für die Online-Plattform beschränken muss. Alles weitere, wie das Sammeln von Unterschriften und die Beratung der Bürger, sollte von den jeweiligen Organisatoren vorgenommen werden. Zudem müsse eine unabhängige Anlaufstelle existieren und nicht eine von der EU-Kommission gestellte.

Wie viel Unabhängigkeit?
Wie viel Unterstützung und welcher Art die EU-Institutionen bereitstellen sollten, war die zentrale Frage des „EBI-Tages“. Diese zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Debatte. Daniel Schily von Democracy International wies darauf hin, dass die EU-Kommission einem starken Interessenkonflikt unterläge, wenn sie Beratung zu einer EBI anbieten müsste, die die Gesetzgebung ihres eigenen Exekutivorgans ändern möchte. In diesem Zusammenhang regte er an, dass die europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen einen gemeinsamen „Helpdesk“ neben der von der EU finanzierten Anlaufstelle aufbauen sollten. Dem gegenüber standen zwei andere Stimmen, die eine Aufstockung der an der EBI beteiligten EU-Mitarbeiter forderten. Carsten Berg, Direktor der EBI-Kampagne, forderte die EU auf, eine klarere und aktivere Rolle einzunehmen.

Reißt die restriktiven Barrieren der EBI ein
Es war auch Carsten Berg, der Carmen Dupont von Amnesty International fragte, weshalb weder ihre noch eine andere große Organisation wie Greenpeace bisher eine EBI gestartet habe. Sie erwiderte, dass die Hürden der EBI noch immer viel zu hoch seien. Um eine EBI zu starten, müsse es realistisch sein, diese auch erfolgreich abzuschließen. Der Umstand, dass es innerhalb des ersten Jahres keiner EBI gelungen ist, die Voraussetzungen zu erfüllen, um als Gesetzesvorschlag bei der EU-Kommission eingereicht zu werden, stelle keinen großen Anreiz dar. Bis zum heutigen Tag wurden 14 EBIs erfolgreich registriert.
Von diesen ist es nur der Initiative “Wasser ist ein Menschenrecht” gelungen, eine Million Unterschriften zu sammeln. Doch auch diese schaffte es bis dato nicht, sämtliche Kriterien zu erfüllen. So wurden noch nicht genug Unterschriften aus mindestens sieben Ländern im Verhältnis zu der Bevölkerungszahl dieser Länder gesammelt. Angesichts dieser hohen Hürden gaben viele Initiatoren von EBIs zu, dass sie ihre Initiativen größtenteils zu PR- und Netzwerkzwecken gestartet haben und weniger, weil sie glaubten, tatsächlich eine Million Unterschriften sammeln zu können.

In Richtung verbindlicher EBIs und EU-Referenden
Ronald Pabst von Democracy International stellte fest, dass EBIs ein weitaus effektiveres Instrument direkter Demokratie wären und mehr Unterschriften erhalten würden, wenn sie rechtsverbindlich und damit der erste Schritt zu einem Referendum wären. In seinem Abschlussstatement argumentierte Gerald Häfner, Mitglied des EU-Parlaments und Vorsitzender von Democracy International, in dieselbe Richtung. Bürger müssten Co-Gesetzgeber sein und nahe an den Politikern stehen. Das Recht auf verbindliche Bürgerinitiativen und das Recht bei wichtigen EU-Themen ein Referendum verlangen zu dürfen seien notwendig für eine echte Demokratie in der EU und ein Europa der Bürger. Nach diesen Worten auf dem “EBI-Tag” in Brüssel müssen nun Taten folgen. Taten – und eine Kampagne in Richtung einer besseren EBI – werden beweisen, dass die europäische Bürgergesellschaft ein eigenständiger und starker Akteur in der großen Welt der EU ist.
Weitere Informationen über die Europäische Bürgerinitiative und eine Aufstellung von laufenden, zurückgezogenen und abgelehnten Initiativen haben wir bereitgestellt unter: <link 6891.html>http://www.mehr-demokratie.de/eu-buergerinitiative.html</link> Democracy International hat zudem den Zwischenbericht „The first year with transnational direct democracy in practice“ erstellt. Dieser ist hier zu finden: http://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/ECI_Briefing_final.pdf