Gestern (13. Juni) sind wir in Tunis gelandet und gleich in die Medina, die Altstadt, gefahren. Wir sind nicht in dem großen Majestic Hotel untergebracht, sondern in einem wunderschönen kleinen Hotel (Dar-Ben Gassem) mitten im Souk. Abends ein Empfang im Arab Center of Research and Policy, warme Worte vom Präsidenten der Universität von Karthago mit leckeren tunesischen Süßigkeiten danach. Unser nächtlicher Weg führt uns zu Fuß durch schmale, manchmal überdachte Gassen, durch die kein Auto mehr passt - gesäumt mit Geschäften, Buden, ausgerollten Teppichen, Cafés mit Wasserpfeife rauchenden Männern. Nur wenige hundert Meter neben den Präsentationsstraßen wie so oft Armut, Dreck, kaputte Häuser... aber viel Leben und Menschen draußen und natürlich die "public viewing"-Übertragung des Champions League Halbfinales in jeder Gasse. Im Hotel gibt es dank Satellitenübertragung ungefähr 500 - 1.000 Fernsehsender und es wird mir wieder einmal klar, dass die gesamte "arabische Welt" von Marokko bis in den Yemen einander versteht und gemeinsames Fernsehen sieht. Zwar gibt es verschiedene Sprachen, wie Tunesisch und Marrokanisch, dies sind aber nur Dialekte. Der gemeinsame Kulturraum ist spürbar. Ein Drittel der Programme sind religiöse Sendungen, Singen, Beten, Suren rezitieren, Predigten. Auch am Morgen im Taxi hören wir die Suren von Radio Couran TN. Erstaunlich, wie beruhigend diese auf Dauer sind, was für ein seelischer Klangteppich gewoben wird. Auch das schafft Strukturen. Hüllt das Ich ein.
Insgesamt ist die Konferenz für 300 Menschen aus der ganzen Welt geplant, aber schon jetzt sind 700 Teilnehmende angemeldet, die meisten aus arabischen Ländern. Es ist den Organisatoren Daniel Schily, Bruno Kaufmann und Joe Mathews gelungen, über erste Kontakte mit der Zivilgesellschaft, vor allem den Gewerkschaften, zu den großen Universitäten und jetzt auch offiziellen Behörden und Ministerien vorzudringen. So findet jetzt das erste Panel mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Habib Essid statt. Bruno begrüßt und eröffnet die Konferenz. Er hat ca. 20 Mikrofone von verschiedenen Radio- und Fersehsendern vor sich. Teilnehmer aus 38 verschiedenen Ländern sind hier. Heute gibt es in über 100 Ländern der Welt Formen von Demokratie - es sei von entscheidender Wichtigkeit, dass mehr "participatory democracy" Einzug halte, denn sie mache die repräsentative Demokratie repräsentativer.
Es ist das fünfte weltweite "Forum on modern Direct Democracy" und kann unter www.2015globalforum.com online mitverfolgt werden. Die Hauptorganisatoren sind eine große tunesische Gewerkschaft (UGTT), die Universität Karthago, Swissinfo, Democracy International, "The arab center of research and policy", IDEA, IRI und "Radio Netherlands worldwide". Bei den ersten Statements wird schnell klar, dass die Demokratie ein Versprechen einzulösen hat. Die Revolution stand unter dem Motto "Arbeit, Würde, Soziale Gerechtigkeit". Die Bedingung für Demokratie sei wirtschaftliches Wachstum... Wir werden weiter berichten.
Roman & Michael