Bürgervotum in Dresden gut, aber in Irland schlecht?

[29/08] Mehr Demokratie kritisiert widersprüchliche Äußerungen der Bundeskanzlerin/Missachtung des Bürgervotums stärkt Politikverdrossenheit

 

Der Verein Mehr Demokratie kritisiert die offenkundig widersprüchlichen Äußerungen der Bundeskanzlerin in Bezug auf die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Bürger. Angela Merkel hatte sich am Mittwoch dafür ausgesprochen, den Bürgerentscheid zum umstrittenen Bau der Dresdner Waldschlösschenbrücke von 2005 zu akzeptieren. Die Demokratie müsse Vorrang haben, so die Kanzlerin in Dresden.

 

Zugleich plädierte Merkel in ihrer gestrigen Regierungserklärung dafür, die Ratifizierung des EU-Reformvertrags trotz Ablehnung durch Irland unbedingt fortzusetzen. "Diese Haltung steht der oben geäußerten Ansicht, die Demokratie müsse Vorrang haben, diametral entgegen. Demokratisch wäre es nämlich, das 'Nein' der Iren zu akzeptieren und den Ratifizierungsprozess zu stoppen", sagt Gerald Häfner, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie.

 

Andere Konsequenzen aus dem irischen Nein hatte die Kanzlerin ausgeschlossen. So hatte sie die Idee eines Kerneuropa oder eines Europa der zwei Geschwindigkeiten zurückgewiesen. Auch Sonderkonditionen für Irland ("Kuhhandel") oder eine "erneute Reflexionsphase" schloss sie aus. "Wer schon die Reflexion ablehnt, begibt sich in eine Sackgasse. Geht es nach der Kanzlerin, müssen die Iren eben ihr Votum ändern", so Häfner.

 

Nach Ansicht von Mehr Demokratie setzt Merkel die irische Regierung unter Druck, die vom Volk abgelehnte Ratifizierung dennoch zu ermöglichen - notfalls auch über die Köpfe der Bürger hinweg. Ein solches Vorgehen stärkt weder Europa noch die Bürger oder die Demokratie. "Im Gegenteil: Das Gefühl, nichts zu zählen und von den Politikern nicht ernst genommen zu werden, stärkt allenfalls die Politikverdrossenheit und wird dazu führen, dass sich noch mehr Bürger enttäuscht abwenden", sagt Häfner.

 

Mehr Demokratie fordert deshalb, das Votum der Bürger zu respektieren und den Ratifizierungsprozess zu stoppen, nachdem nach den Niederländern und Franzosen 2005 nun auch die Iren den EU-Reformvertrag abgelehnt haben. "Es bringt nichts, den gleichen Text neu zu etikettieren und den Bürgern wieder vorzulegen", erklärt Häfner. "Wir schlagen eine offene Diskussion über Rolle, Selbstverständnis und Konstitution eines künftigen Europa vor. Das Ergebnis muss ein neuer, bürgerfreundlicherer Vertragstext sein." Dieser Text soll von einem von den Bürgern gewählten Konvent erarbeitet und der Bevölkerung aller Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt werden. "Nur so kann ein Europa der Bürger und damit eine zukunftsfähige EU entstehen."

 

Dokumentation zum Streit um die Waldschlösschenbrücke

www.mehr-demokratie.de/waldschloesschenbruecke-dresden.html

 

Vorschlag von Mehr Demokratie für eine demokratischere EU

www.mehr-demokratie.de/europa.html

 

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