Bundestagswahl: Analyse der Wahlprogramme mit Fokus auf Demokratie
Wir haben die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl genauer unter die Lupe genommen – mit besonderem Blick auf Demokratiethemen. Welche Konzepte gibt es für mehr Bürgerbeteiligung? Wie stehen die Parteien zu direkter Demokratie, Wahlrechtsreformen oder Transparenz in der Politik? In dieser Übersicht sind ausschließlich Aussagen der im Bundestag vertretenen, demokratischen Parteien enthalten, die sich in ihren Wahlprogrammen positiv zu den einzelnen Punkten geäußert haben. Fehlt eine Partei bei bestimmten Themen, bedeutet das lediglich, dass sie sich dazu nicht explizit geäußert hat. Es bedeutet nicht, dass sie den Vorschlägen ablehnend gegenübersteht.
Bundesweite Volksentscheide
Die LINKE:
"Wir wollen Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide, Bürger*inneninitiativen, Bürger*innenbegehren und Bürger*innenentscheide auf Bundesebene einführen. Die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte schließt auch die Einführung von Referenden ein, d. h., die Bürger*innen können gegen parlamentarische Entscheidungen ein Veto einlegen."
BSW:
"Eine Stärkung der Demokratie darf nicht nur in den öffentlichen Diskussionen stattfinden. Wir brauchen vor allem einen stärkeren Einfluss der Bürger auf politische Entscheidungen. Gerade in existentiellen Fragen sollte der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben werden, direkt zu entscheiden. Wir werden uns um die notwendigen Mehrheiten bemühen, um eine Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen, die in wichtigen Fragen Volksentscheide ermöglicht, zum Beispiel über eine Rentenreform wie in Österreich oder die Frage der EU-Erweiterung. Per Volksbegehren soll es auch auf Bundesebene möglich werden, eine verbindliche Volksabstimmung über Gesetzesvorschläge bzw. Gesetzesrücknahmen (Heizungsgesetz) herbeizuführen."
Bürgerräte
SPD:
"Wir wollen Bürgerräte als festen Bestandteil unserer Demokratie etablieren. Geloste Bürgerräte beraten zu schwierigen Themen und stärken das Vertrauen in die Demokratie. Sie machen Demokratie erlebbar, indem sie Menschen mit unterschiedlichen Positionen zum Austausch einladen, zur Kompromissfindung ermutigen und erreichen, dass der Interessenausgleich als Kern der Demokratie verstanden wird. Ihre Empfehlungen fließen in die parlamentarischen Beratungen ein, während die Entscheidungen bei den gewählten Institutionen bleiben."
Bündnis 90/Die Grünen:
"Mit Bürgerräten besteht die Möglichkeit, den Rat der Menschen als „Expert*innen des Alltags“ in einem repräsentativen Verfahren einzuholen. Auch das gilt es zu stärken und gesetzlich abzusichern, inklusive demokratischer Verfahren zu einzelnen Beratungsergebnissen. Dafür wollen wir beispielsweise die Einführung einer Volksinitiative prüfen. Für die Herausforderungen im Heute und Morgen wollen wir unseren Staat besser aufstellen und bieten dafür den demokratischen und föderalen Partnern die Hand für eine Staatsreform. ... Den Auftakt für diese Reformprozesse könnten die Diskussionen in einem Bürgerrat geben."
Die LINKE:
"Das von der Zivilgesellschaft entwickelte Instrument der Bürger*innenräte, wonach zufällig ausgeloste Menschen aus der Mitte der Gesellschaft Fragen aufwerfen und Lösungsvorschläge für verschiedene Probleme entwickeln, wollen wir unterstützen, stärken und fördern."
Petitionsrecht
Bündnis 90/Die Grünen:
"Das Petitionsrecht wollen wir weiterentwickeln und stärken."
Wahlalter 16
SPD:
"Ab 16 Jahren sollen junge Menschen mitentscheiden können, deswegen senken wir das aktive Wahlalter."
Die LINKE:
"Die Linke setzt sich für eine Absenkung des Wahlalters in allen demokratischen Entscheidungsprozessen auf europäischer, Bundes-, Länder- und Kommunalebene auf 16 Jahre ein."
Bündnis 90/Die Grünen:
"Parteiübergreifend wollen wir darauf hinarbeiten, die Kinderrechte endlich ins Grundgesetz zu schreiben und das Wahlalter auch auf Bundesebene auf 16 Jahre zu senken."
Transparenzgesetz
Bündnis 90/Die Grünen:
"Der Staat muss mit gutem Beispiel vorangehen, weswegen wir den Rechtsanspruch auf Open Data und ein Transparenzgesetz vorantreiben und dadurch Datenbestände proaktiv bereitstellen."
Die LINKE:
"Wir werden ein Recht auf Open Data schaffen und ein Transparenzgesetz: Bei öffentlichen Dienstleistungen und Verwaltungen anfallende Daten müssen anonymisiert kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das gilt gleichermaßen für alle privaten Anbieter öffentlicher Leistungen. Auch die Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung müssen kostenfrei öffentlich zugänglich sein (Open Access)."
Gesetzgebungsreform
CDU/CSU:
"Lernenden Staat bauen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen wir für eine strategischere und stärker datenbasierte Politik. Mit einer neuen Fehlerkultur evaluieren wir beschlossene Maßnahmen, nehmen zurück, was nicht effektiv ist, und passen die Maßnahmen kontinuierlich an."
SPD:
"Wir werden alle neuen Gesetze und größeren Novellierungen vor Verabschiedung auf Wirksamkeit, Bürgernähe, Praxistauglichkeit und Digitaltauglichkeit testen und bestehende Gesetze schrittweise entsprechend überprüfen. Dazu werden wir die Instrumente des Bürgerchecks, des Praxischecks und des Digitalchecks verzahnen und verbindlich in der Gesetzgebungsarbeit verankern."
Bündnis 90/Die Grünen:
"Parlamentsarbeit und Gesetzgebungsverfahren wollen wir transparenter gestalten und Lobbytreffen der Regierung wie in der Europäischen Kommission sichtbar machen. Dabei setzen wir uns für unabhängige Kontrollen ein, um Transparenz und Integrität zu stärken. Die Sitzungen der Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden."
Gemeinnützigkeit
SPD:
"Das Gemeinnützigkeitsrecht wollen wir modernisieren."
Bündnis 90/Die Grünen:
"Zivilgesellschaftliche Organisationen tragen das gemeinnützige Engagement. Ihre Arbeit wollen wir von überflüssiger Bürokratie entlasten. Zudem erweitern wir den Katalog gemeinnütziger Zwecke. Wir werden zudem gesetzlich klarstellen, dass gemeinnützige Zwecke auch durch Teilnahme an der politischen und öffentlichen Willensbildung verfolgt werden können und sich Organisationen gelegentlich auch außerhalb ihres gemeinnützigen Zwecks politisch äußern dürfen."
Die LINKE
"Wir brauchen eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts mit einer Klarstellung der als gemeinnützig anerkannten Zwecke. Die Mitwirkung an der politischen Willensbildung muss ausdrücklich möglich sein, ob zur Verfolgung eigener Zwecke oder darüber hinaus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Organisationen, denen die Gemeinnützigkeit für ihre selbstlose politische Einmischung entzogen wurde, müssen sie zurückerhalten (z.B. Attac oder Campact)."
Demokratiefördergesetz
SPD:
"Eine lebendige Zivilgesellschaft ist das Rückgrat unserer Demokratie. Mit dem Demokratiefördergesetz schaffen wir die Grundlage, zivilgesellschaftliche Initiativen nachhaltig zu unterstützen."
Die LINKE:
"Projekte der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, Opferberatungen und zivilgesellschaftliche Demokratiebündnisse, Migrant*innenselbstorganisationen sowie Antifa-Initiativen müssen mit einem echten wirksamen Demokratiefördergesetz stärker unterstützt und langfristig finanziell abgesichert werden."
Bündnis 90/Die Grünen:
"Durch eine verlässliche Förderung der demokratischen Zivilgesellschaft stärken wir unsere demokratische Kultur. Der Schutz der Demokratie ist eine zentrale Aufgabe des Staates, deswegen wollen wir Programme wie „Demokratie leben!“ mit einem Demokratiefördergesetz absichern."