Koalitionsvertrag: Was wir davon halten

Gestern haben Union und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Die neue Bundesregierung steht also. Wie steht es aber  um die Demokratieentwicklung? Ein kurzer Überblick.

Das ist gut:

Das Informationsfreiheitsgesetz bleibt! Das ist auch ein Erfolg der Zivilgesellschaft, die sich mit einer Petition mit mehr als 400.000 Unterschriften für den Erhalt des Gesetzes stark gemacht hatte. Im Vertrag steht nun, dass das IFG „mit einem Mehrwert für Bürgerinnen, Bürger und Verwaltung“ reformiert werden soll. Wir von Mehr Demokratie fordern: Das Informationsfreiheitsgesetz sollte in einem modernen Transparenzgesetz aufgehen; der Staat sollte künftig wichtige Daten und Verträge von sich aus veröffentlichen.

Wir freuen uns über eine Fortsetzung der Bürgerräte des Bundestags – trotz der scharfen Kritik der Union. Bürgerräte weiter einzusetzen, ist eine der Empfehlung von Mehr Demokratie. Das Instrument hat sich in der Praxis bewährt.

Die neue schwarz-rote Regierung will auch die Gesetzgebung verbessern. Anhörungen von Betroffenen und Expertinnen und Experten sollen angemessene Fristen und damit mehr Zeit bekommen. Eine Analyse von uns hatte kürzlich gezeigt, dass die Fristen in den vergangenen beiden Legislaturperioden viel zu kurz angesetzt waren.

Wahlalter 16? Vorgesehen ist eine Prüfung. Das ist nicht viel – aber immerhin hat es das Thema in den Vertrag geschafft. Die Regierung hat also die Absicht, sich zumindest mit der Absenkung des Wahlalters zu beschäftigen.

Das ist nicht gut:

Die neue Regierung will das Verbandsklagerecht und die Umweltinformationsgesetzgebung einschränken. Das ist schlecht.

Ebenfalls kritisch: die geplanten Veränderungen im Europawahlrecht. Eine Sperrklausel für Europawahlen lehnen wir strikt ab. Hier befindet sich auch diese Regierung auf dem Irrweg.

Und mit Blick auf grundlegende Demokratiereformen wie zum Beispiel die Einführung der direkten Demokratie bleiben die Verabredungen hinter unseren Wünschen zurück. Mitbestimmung durch Bürgerinnen und Bürger halten wir für zentral.

Und sonst?

Eine Reform des Wahlrechts steht auch im Koalitionsvertrag. Vielleicht ließe sich, zusätzlich zur Wahlrechtskommission, hier ein geloster Bürgerrat einsetzen? Beim Wahlrecht, der Kern der demokratischen Mitbestimmung, bietet sich das auf jeden Fall an. Das sah schon Wolfgang Schäuble so!

Weiterhin ist die Tür offen für eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags. Die Idee, dass Petitionen mit 100.000 Unterschriften auch im Plenum behandelt werden können, sollte unserer Meinung nach unbedingt mit aufgenommen werden. Das war während der vergangenen Legislatur schon beschlussreif und versprochen.

Unsere Empfehlungen, das Petitionsrecht auszubauen oder einen Hauptausschuss für Demokratie einzuführen, haben die Koalitionäre nicht aufgegriffen. Hier müssen wir weiter Überzeugungsarbeit leisten.

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