„Direkte Gesetzgebung durch das Volk“: Diese älteste Forderung nach Einführung des deutschlandweiten Volksentscheids jährt sich kommende Woche zum 150. Mal. Vom 22. bis 27. Mai 1875 tagte der Vereinigungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) und des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP). Dies gilt als Geburtsstunde der heutigen SPD. Bei dieser Gelegenheit wurde die Einführung der direkten Demokratie ins Parteiprogramm aufgenommen. Noch heute steht sie im Grundsatzprogramm. Das Hamburger Programm von 2007 fordert „direkte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide… auch im Bund“.
„Die SPD hat die Einführung der direkten Demokratie schon zur Geburtsstunde in ihren Forderungsrucksack gepackt hat und durch Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich, sowie alte und neue Bundesrepublik getragen. Damit ist sie die politische Kraft, die sich in Deutschland am längsten für die direkte Demokratie einsetzt“, sagt Bundesvorstandssprecher Ralf-Uwe Beck. Das sei eigentlich ein Anlass zum Feiern, zumal die direkte Demokratie auf kommunaler und Landesebene in allen Bundesländern etabliert ist.
Doch würde die SPD heute die Einführung des bundesweiten Volksentscheids nur noch verhalten vertreten. Dabei habe die Partei im Jahr 2013 noch einen Gesetzesentwurf für Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid vorgelegt und sich in den Koalitionsverhandlungen mit der Union für direkte Demokratie stark gemacht.„Angesichts des zurückgehenden Vertrauens in die Demokratie sollte die SPD wieder die Meinungsführerschaft übernehmen und die Demokratieentwicklung ganz oben auf ihrer aktuellen Forderungsliste platzieren“, so Beck. „Die Zustimmung in der Bevölkerung ist nach wie vor hoch. Schließlich ist die direkte Demokratie ein hervorragendes Frustschutzmittel.“
Die Zustimmung zur direkten Demokratie auf Bundesebene zeige sich auch an einem aktuellen Aufruf für den Volkseinwand auf der Beteiligungsplattform openPetition, dem sich bereits über 300.000 Menschen angeschlossen haben. Auch Mehr Demokratie trägt den Aufruf mit. Per Volkseinwand würde die Bevölkerung eine Volksabstimmung über Gesetze durchsetzen können, die der Bundestag beschlossen hat. Vorbild ist die Schweiz, wo das fakultative Referendum seit etwa 150 Jahren einer der Grundpfeiler der Demokratie ist.
Weiterführende Links:
1. Petition „Demokratie stärken - Vetorecht bei Gesetzen des Bundestages“: Link
2. Gothaer Programm der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands von 1885 (fünf Jahre später benannte die Partei sich in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) um) Link
3. Hamburger Programm von 2007: das aktuelle Grundsatzprogramm der SPD. Link