Abstimmungsbeteiligung zu Stuttgart 21 nicht vorschnell interpretieren

[68/11] Rund 38 Prozent beteiligen sich durchschnittlich an Volksentscheiden ohne Kopplung an Wahlen

Der Verein Mehr Demokratie warnt davor, die Abstimmungsbeteiligung beim Volksentscheid zu Stuttgart 21 vorschnell zu interpretieren. Auch dürfe man die Abstimmungsbeteiligung nicht mit der Beteiligung bei Wahlen vergleichen. Bei Abstimmungen über Sachfragen fühle sich anders als bei Wahlen selten die gesamte Bevölkerung angesprochen.

Die durchschnittliche Abstimmungsbeteiligung bei den bisher 56 Volksentscheiden (19 von unten initiierte Volksabstimmungen und 37 Referenden und Sonderabstimmungen) in Deutschland liegt bei 54,8 Prozent. Bei Volksentscheiden, die nicht an Wahlen gekoppelt waren, beteiligten sich durchschnittlich 38,1 Prozent. Das sei vor allem damit zu erklären, dass einzelne Sachfragen weniger Menschen betreffen als der breite Themenkatalog, über den man mit der Wahl einer Partei entscheidet.

Die Gültigkeit einer Volksabstimmung sollte nach Ansicht von Mehr Demokratie aber nie von der Abstimmungsbeteiligung abhängen. Bisher sind deutschlandweit fünf Volksabstimmungen trotz Ja-Mehrheit unecht an Zustimmungsquoren gescheitert. „Wie beim Wählen sollte das Prinzip gelten: Die Mehrheit entscheidet“, sagt Ralf-Uwe Beck, Sprecher des Mehr Demokratie-Bundesvorstands. Ein so hohes Zustimmungsquorum wie in Baden-Württemberg gibt es sonst nur im Saarland (50 Prozent) und in Mecklenburg-Vorpommern (ein Drittel). Die grün-rote Regierung hat im Koalitionsvertrag zugesagt, die Regeln für die direkte Demokratie zu verbessern. Unter anderem soll das Zustimmungsquorum bei einfachen Gesetzen abgeschafft und bei Verfassungsänderungen gesenkt werden. „Auch die Oppositionsfraktionen von CDU und FDP sollten unter dem Eindruck des Volksentscheids jetzt einschwenken und einer Reform zustimmen“, so Beck.

„Damit die direkte Demokratie ihre befriedende Wirkung voll entfalten kann, müssen die Spielregeln aber fair gestaltet sein“, meint Beck. In Baden-Württemberg gibt es nach Einschätzung des Fachverbands dringenden Reformbedarf: Im Mehr Demokratie Volksentscheids-Ranking rangiert das Land mit Note 4,9 auf dem vorletzten Platz. Seit 1956 gibt es in Baden-Württemberg die direkte Demokratie auf Gemeindeebene, 1974 kamen landesweite Volksbegehren hinzu. Seitdem hat es neun Anträge auf Volksbegehren gegeben, aber kein Volksbegehren und keinen Volksentscheid.

Aktuelles Volksentscheid-Ranking (2010): <link>Volksentscheids-Ranking

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