Bürgerklage gegen verfassungswidriges Wahlrecht gestartet

[57/11] Mehr Demokratie und Wahlrecht.de ziehen vors Verfassungsgericht/ Bürger fordern faires Wahlgesetz

Unter dem Motto „Wählen ohne Überhang – Die Bürgerklage“ haben Mehr Demokratie und Wahlrecht.de heute auf einer Pressekonferenz eine Verfassungsbeschwerde gegen das Ende September vom Bundestag beschlossene Bundeswahlrecht vorgestellt. Bürgerinnen und Bürger können die Beschwerde, mit der sich das Bundesverfassungsgericht befassen wird, mitunterzeichnen. Das von der schwarz-gelben Koalition entworfene neue Wahlgesetz ist nach Ansicht der Kläger in mehreren Punkten verfassungswidrig. Ein Hauptkritikpunkt ist, dass das negative Stimmgewicht – der Mechanismus, der dazu führt, dass man einer Partei schaden kann, indem man sie wählt – weiter bestehen bleibt.

„Das Wahlrecht ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie“, sagt Michael Efler, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie. „Wenn die schwarz-gelbe Koalition zunächst die vom Gericht gesetzte Frist verpasst und dann in letzter Minute einen Gesetzentwurf im Bundestag durchsetzt, der die alten Probleme zementiert, dann rüttelt sie an diesem Grundpfeiler.“ Das sei nicht hinnehmbar

„Dass es nicht gelungen ist, die Novelle des Wahlrechts auf eine breite, parteiübergreifende parlamentarische Mehrheit zu stützen, ist ausgesprochen misslich“, sagt Staats- und Verwaltungsjurist Matthias Rossi, der die Kläger als Prozessbevollmächtigter vertritt. So entstehe der Anschein, dass es vor allem um Machtsicherung gehe. „Die nun beschlossenen Änderungen verstoßen gegen die verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsätze der Unmittelbarkeit und der Gleichheit und gegen rechtsstaatliche Prinzipien der Widerspruchsfreiheit und Normenklarheit.“ Das Bundesverfassungsgericht kann entsprechende Änderungen einfordern – allerdings darf es nicht von sich aus entscheiden, sondern muss angerufen werden. „Insofern ist es wichtig, dass sich Bürger unabhängig von den politischen Parteien an das Bundesverfassungsgericht wenden und ein verfassungskonformes Wahlrecht einfordern“, so Rossi.

Ein wesentlicher Kritikpunkt am neuen Wahlrecht sei, dass nach wie vor Überhangmandate entstehen können, erklärt Wilko Zicht, Initiator von Wahlrecht.de. „Es ist bloß eine Frage der Zeit, bis die Mehrheitsverhältnisse bei einer Bundestagswahl durch Überhangmandate in ihr Gegenteil verkehrt werden und wir möglicherweise in eine Staatskrise schlittern.“ Besonders offenkundig wurden die Schwächen des bestehenden Wahlsystems bei der Nachwahl 2005 in Dresden – Zicht und andere waren vor diesem Hintergrund vor das Verfassungsgericht gezogen und hatten das Urteil gegen das negative Stimmgewicht von 2008 erwirkt. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Bundestag nach über drei Jahren erneut einen solchen Murks abliefert“, sagt Zicht.

„Das neue Wahlrecht kann dazu führen, dass der Wählerwille in absurder Weise verfälscht wird“, fasst Efler zusammen. „Das ist eine Missachtung des Verfassungsgerichts und der Bevölkerung gleichermaßen.“ Mehr Demokratie und Wahlrecht.de rufen deshalb die Bürgerinnen und Bürger auf, in den nächsten Monaten die Bürgerklage mit zu unterzeichnen.

 

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