Die Bürger wollen keine Zuschauerdemokratie

[31/08] Mehr Demokratie: Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung offenbart Distanz zu Politikern, nicht zur Demokratie

"Jeder Dritte glaubt nicht mehr an die Demokratie" lautete gestern der Tenor vieler Medienberichte zur neuen Studie des Institutes Polis/Sinus für die Friedrich-Ebert-Stiftung. Angst vor dem sozialen Abstieg und Unzufriedenheit mit der eigenen prekären Lebenssituation werden dabei mit Entfremdung vom politischen System Demokratie in Zusammenhang gebracht. Der Verein Mehr Demokratie kritisiert diese Lesart als verkürzt.

 

"Die Fragen der Studie zielen auf die momentane Situation und die Ausgestaltung der Demokratie in Deutschland", so Roman Huber, Geschäftsführer von Mehr Demokratie. Viele Fragen seien so gestellt, dass man sich durchaus kritisch äußern könne, auch wenn man eine freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht in Frage stelle. "Was die Befragten kritisieren, ist nicht die Staatsform Demokratie, sondern die praktizierte Zuschauerdemokratie, in der sich die Bürger machtlos fühlen", stellt Huber klar. Es sei deshalb überzogen, jetzt so zu tun, als wäre ein beträchtlicher Teil der Deutschen antidemokratisch.

 

Aus der Studie geht hervor, dass viele Menschen sich als Verlierer der momentanen Gesellschaftsordnung fühlen und mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland unzufrieden sind. 25 Prozent der gut 2.500 Befragten distanzieren sich laut der Studie von der Demokratie "wie sie bei uns heute ist", weitere 34 Prozent finden das zumindest nachvollziehbar. Daraus zu folgern, dass all diese Menschen die Demokratie abschaffen wollten, sei voreilig, so Huber. "Darüber, ob die Befragten eine andere Staatsform bevorzugen würden, macht die Studie überhaupt keine Aussage."

 

Sicher ist für Mehr Demokratie nur, dass viele Bürger sich eine andere Ausgestaltung der Demokratie mit mehr Beteiligungsmöglichkeiten und Mitbestimmungsrechten wünschen. "Beim Unterschriftensammeln, in persönlichen Gesprächen und am Telefon gewinnen wir den Eindruck, dass sich die Menschen sehr wohl politisch engagieren wollen", sagt Huber. Untersuchungen zur direkten Demokratie bestätigen das: Derzeit laufen bundesweit 28 Volksinitiativen und Volksbegehren auf Landesebene. Auf Gemeindeebene wurden allein 2007 knapp 300 direktdemokratische Verfahren eingereicht. Mittlerweile sind Bürger- und Volksbegehren in allen Ländern möglich und ihre Zahl ist seit den 1990er Jahre stark angestiegen.

 

"Die Bürger wenden sich von Parteien und Politikern ab, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Anliegen von ihnen nicht wirklich vertreten werden", erklärt Huber. "Zugleich sprechen sich rund 80 Prozent für die bundesweite Volksabstimmung aus." Gerade die direkte Demokratie sei geeignet, um Ohnmachtsgefühlen etwas entgegenzusetzen. Deshalb engagiert sich Mehr Demokratie im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 wieder verstärkt für den bundesweiten Volksentscheid. So werden etwa im Rahmen der "Aktion Volksabstimmung" Karten verteilt, auf denen die Bürger ihre Wahlkreisabgeordneten auffordern können, die bundesweite Volksabstimmung einzuführen.

 

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