Direkte Demokratie jetzt flächendeckend

30/05

Berlins Bezirke bekommen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide

Als letztes Bundesland ermöglicht Berlin Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene. Mit den Stimmen von SPD, PDS, Grünen und FDP beschloss das Abgeordnetenhaus am gestrigen Donnerstag die dafür notwendige Verfassungsänderung. In Bundesländern und Kommunen ist die direkte Demokratie damit flächendeckend eingeführt. Der Verein Mehr Demokratie, der die Reform angeschoben und die Verhandlungen der vier Parteien begleitet hatte, lobte das Gesetz. Vorstandssprecherin Claudine Nierth bezeichnete es als "das beste Bürgerbeteiligungsgesetz, das jemals von einem Landesparlament beschlossen wurde".

 

"Der letzte weiße Fleck auf der Landkarte der direkten Demokratie ist verschwunden", erklärte Nierth. "Unterhalb der Bundesebene können sich die Bürger jetzt überall in Deutschland in die Politik einmischen und über Sachfragen abstimmen." Bis dahin war es ein weiter Weg. 1989 waren landesweite Volksbegehren und Volksentscheide erst in sieben Bundesländern möglich, kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gab es nur in Baden Württemberg. Nach der Wiedervereinigung setzte dann ein regelrechter Siegeszug der direkten Demokratie ein, der mit der Berliner Reform jetzt zu einem vorläufigen Abschluss gekommen ist. "Was jetzt noch fehlt, ist der bundesweite Volksentscheid", bilanzierte die Mehr Demokratie-Sprecherin.

 

Die Hauptstadt sei aus ihrem plebiszitären Dornröschenschlaf erwacht, würdigte Nierth die aktuelle Reform. "Mit einem Schlag hat sich Berlin vom Schlusslicht der direkten Demokratie zu einem Vorreiter in Sachen

Bürgerbeteiligung gemausert." Noch 2001 war Berlin beim Volksentscheid-Ranking, einem von Mehr Demokratie herausgegebenen Vergleich der Mitbestimmungsmöglichkeiten in Ländern und Gemeinden, abgeschlagen auf dem letzten Platz gelandet. Jetzt konkurriert die Hauptstadt bei der kommunalen Mitbestimmung mit Bayern um den zweiten Platz - dicht hinter dem Spitzenreiter Hamburg. In beiden Ländern war die Bürgerbeteiligung allerdings nicht vom Parlament eingeführt, sondern von der Bevölkerung selbst per Volksentscheid eingeführt worden. Vorausgegangen war dem jeweils ein von Mehr Demokratie organisiertes Volksbegehren.

 

Die Eckpunkte der Berliner Reform sprechen für sich: Schon die Unterschriften von drei Prozent der Wahlberechtigten eines Bezirks reichen aus, damit ein Bürgerbegehren erfolgreich ist - genauso viele wie in Hamburg. Im Bundesdurchschnitt liegt die Hürde rund dreimal so hoch. Auch beim Bürgerentscheid schneidet Berlin gut ab: 15 Prozent der Wahlberechtigten müssen sich an der Abstimmung beteiligen, damit das Ergebnis gültig ist. In den anderen Bundesländern müssen zumeist 20 bis 25 Prozent der Bürger einer Vorlage zustimmen, damit sie angenommen ist, was ungleich schwerer zu erreichen ist. Nur die Hamburger Bezirke verzichten ganz auf ein Beteiligungs- oder Zustimmungsquorum. Ein Themenausschluss, wie er in den meisten anderen Bundesländern üblich ist, ist in der Hauptstadt nicht vorgesehen.

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