EU-Gipfel

17/06

Verfassungskrise: Scheitern als Chance

Vor dem morgen in Brüssel beginnenden EU-Gipfel hat die Initiative Mehr Demokratie die Staats- und Regierungschefs der Union aufgefordert, das Scheitern der Europäischen Verfassung zu akzeptieren und als Chance zu begreifen. Notwendig sei ein demokratischer Neubeginn im Verfassungsprozess, sagte Mehr Demokratie-Sprecherin Claudine Nierth. Der Vorschlag der Initiative: Ein von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählter Konvent soll einen neuen Verfassungsentwurf ausarbeiten, über den dann in allen EU-Staaten am gleichen Tag abgestimmt werden kann.

 

"Nach einem Jahr Denkpause fragen sich die Staats- und Regierungschefs noch immer, wie sie den Menschen ihren Entwurf der EU-Verfassung schmackhaft machen können", so Nierth. "Sie sollten den Tatsachen ins Auge sehen: Die Verfassung ist gescheitert, weil die Bürgerinnen und Bürger nicht von Anfang an in den Prozess ihrer Entstehung miteinbezogen wurden. Das muss jetzt nachgeholt werden, wenn Europa die Krise überwinden soll, die durch das doppelte Nein bei den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden entstanden ist."

 

Alle anderen bisher diskutierten Varianten - neue Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden, Nachverhandeln der Verfassung oder ein erneutes, europaweites Referendum - hält Nierth für wenig Erfolg versprechend. "Ein neuer Anlauf mit der alten Verfassung scheidet aus, wenn die EU an ihren demokratischen Grundprinzipien festhalten will." Frankreich und die Niederlande hätten auch bereits deutlich gemacht, diesen Weg nicht mitzugehen.

 

Die Verfassung neu zu verhandeln, ohne die Bürgerinnen und Bürger daran zu beteiligen, birgt aus Sicht der Mehr Demokratie-Sprecherin Risiken: "Das wäre die Methode 'Trial and Error'. Was passiert denn, wenn eine überarbeitete Verfassung erneut abgelehnt wird? Wird dann wieder verhandelt?" Durch die frühzeitige Einbindung der Bevölkerung könnte das Risiko einer erneuten Ablehnung verringert werden, glaubt Nierth.

 

Den vom amtierenden Ratspräsidenten Wolfgang Schüssel vorgeschlagenen Weg, die Bürgerinnen und Bürger in allen EU-Staaten gleichzeitig über die Verfassung abstimmen zu lassen, hält Nierth zwar für richtig, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt: "Das hieße, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Und es würde Franzosen und Niederländer vor das Problem stellen, erneut über einen identischen oder nur leicht abgewandelten Text abzustimmen."

Teilen:
nach oben