Mehr Demokratie fordert Ratifizierungs-Stopp und demokratischeres Europa

[28/08] EU-Gipfel: Politiker erwarten Lösungsvorschläge von Irland

Nach dem "Nein" zum EU-Reformvertrag lastet beim morgen (19. Juni) beginnenden EU-Gipfel in Brüssel ein gewaltiger Druck auf der Irischen Regierung. Mehr Demokratie kritisiert die Erwartungshaltung seitens der EU-Politiker und fordert, die Ratifizierung zu stoppen. Nicht Irland, sondern Europa stehe vor einer Herausforderung. "Die Ablehnung wird wie ein peinlicher Unfall im sonst funktionstüchtigen EU-Betrieb behandelt, dabei ist sie ein Zeichen für gravierende Fehler im System", so der Vorstandssprecher von Mehr Demokratie, Gerald Häfner.

 

Mit dem Finger auf Irland zu zeigen, sei völlig falsch, sagt Häfner. Genau das haben viele Politiker aber in den letzten Tagen getan: Auf dem EU-Gipfel erwarte er einen Vorschlag aus Dublin, sagte EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering am Dienstag der Tageszeitung Le Monde. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten und Sozialisten im Europäischen Parlament, Martin Schulz (SPD) stellt die Vollmitgliedschaft Irlands in Frage, falls die Iren keine Lösung präsentieren könnten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will für ein unbedingtes Festhalten am Reformvertrag plädieren.

 

"Die meisten EU-Politiker haben völlig aus den Augen verloren, dass die Iren quasi stellvertretend für Bürgerinnen und Bürger in anderen Staaten entschieden haben", stellt Häfner fest. Symptomatisch für diese verzerrende Interpretation seien die Äußerungen des Kommissions-Vizepräsidenten Günther Verheugen, es gehe nicht, dass alle die neuen Spielregeln akzeptierten, aber ein Land abseits stehe. "Davon, dass alle anderen die Regeln akzeptieren, kann überhaupt keine Rede sein", sagt Häfner. "Sie wurden schlicht nicht gefragt! Hätte man europaweit Volksabstimmungen zu diesem bürgerfernen Vertrag durchgeführt, wäre es vermutlich nicht bei nur einem 'Nein' geblieben."

 

Mehr Demokratie weist darauf hin, dass ein mit dem EU-Reformvertrag nahezu deckungsgleicher Text bereits 2005 von Niederländern und Franzosen per Volksabstimmung abgelehnt wurde. "Konsequenterweise müssten also auch Frankreich und die Niederlande außen vor bleiben", sagt Häfner. Irland als einziges Hindernis für die Ratifizierung darzustellen, verwische erneut die wahren Ursachen für das Scheitern: die Unverständlichkeit des Vertrags und die Demokratiedefizite der EU. "Wer nach dem Motto 'Augen zu und durch!' weiter machen will wie bisher, der gibt zu, dass für ihn die Meinung der Bürger nicht zählt - im Zeitalter der Demokratie eine gefährliche und unerträgliche Haltung."

 

Die richtige Konsequenz wäre nach Ansicht von Mehr Demokratie, den Ratifizierungsprozess zu stoppen. "Wir brauchen keinen dritten Aufguss eines bereits zweimal unter verschiedenen Etiketten abgelehnten Vertrags", so Häfner. Mehr Demokratie fordert einen offenen Diskussionsprozess über Rolle, Selbstverständnis und Konstitution eines künftigen Europa. "Das Ergebnis sollte ein Vertragsentwurf für eine demokratischere EU sein", erläutert Häfner. Es sei deshalb Aufgabe der Regierungen, die demokratische Entwicklung eines neuen Vertragstextes zu ermöglichen, etwa durch einen direkt gewählten Konvent und Volksabstimmungen in allen Mitgliedstaaten.

 

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