Neues Volksinitiativrecht in Frankreich

[35/08] Senat und Nationalversammlung wollen direktdemokratische Mitbestimmung erleichtern

 

In Frankreich haben sich Senat und Nationalversammlung auf einen Gesetzentwurf für ein neues Volksinitiativrecht geeinigt. Über den entsprechenden Text werden die beiden Parlamentskammern am Montag (21. Juli) abstimmen. Der Gesetzentwurf steht im Zusammenhang mit einer Verfassungsrevision, die darauf zielt, die Institutionen der 5. Republik zu modernisieren.

 

Bisher hat in Frankreich allein der Präsident das Recht, das Volk zu bestimmten Gesetzentwürfen in einem Referendum zu befragen. Der neue Gesetzentwurf sieht vor, dass künftig auch auf Initiative des Parlaments und der Wahlberechtigten Volksabstimmungen stattfinden können.

 

Demnach kann ein Fünftel der Parlamentsmitglieder, unterstützt von einem Zehntel der auf den Wahllisten eingeschriebenen Wähler, einen Gesetzesvorschlag unterbreiten und somit den ersten Schritt zur Volksabstimmung einleiten. Falls diese Initiative von Senat und Nationalversammlung nicht innerhalb einer bestimmten Frist behandelt wird, muss der Präsident im zweiten Schritt ein Referendum anordnen. Ein "loi organique", das über gewöhnlichen Gesetzen, jedoch unter der Verfassung steht, soll das neue Initiativrecht regeln.

 

"Das Verfahren ist in etwa vergleichbar mit der Volksinitiative in Deutschland, bei der die Bürger durch Unterschriftensammlung die Parlamente zwingen können, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen", erläutert Gerald Häfner, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. "Die Unterschriftenhürde ist mit 10 Prozent der Wahlberechtigten zwar immer noch relativ hoch und es wäre wünschenswert, dass die Bürger von sich aus die Initiative ergreifen können. Trotzdem würde das neue Volksinitiativrecht die Mitbestimmungsmöglichkeiten deutlich verbessern."

 

Einen vergleichbaren Schritt würde Mehr Demokratie sich auch für die Bundesrepublik wünschen. In Deutschland gibt es bisher nur kommunale Bürgerbegehren und -entscheide sowie landesweite Volksbegehren und -entscheide. "Leider ist Deutschland, was die direkte Demokratie auf nationaler Ebene angeht, inzwischen Schlusslicht in Europa", so Häfner. "In etlichen anderen Ländern, allen voran in der Schweiz, gehören Volksabstimmungen zur politischen Kultur." Mehr Demokratie kämpft seit Jahren für die Einführung direktdemokratischer Elemente auch auf Bundesebene. 2002 konnte für einen von Häfner initiierten Gesetzentwurf eine deutliche Mehrheit im Bundestag gewonnen werden, die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde aber verfehlt.

 

"In den nächsten Monaten werden wir das Thema wieder verstärkt angehen", sagt Häfner. Derzeit verteilt Mehr Demokratie gemeinsam mit der Aktion Volksabstimmung Aktionskarten, auf denen Bürger den bundesweiten Volksentscheid fordern können. "Dass direkte Demokratie auch auf Bundesebene ein immer wichtigeres Thema wird, zeigt nicht zuletzt Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten Hans-Jürgen Papier, den Bürgern ein eigenes Initiativrecht für Gesetze einzuräumen." In einem Spiegel-Interview Mitte Juni hatte Papier das Recht, Gesetzgebungsverfahren anzustoßen, als ein Mittel gegen Politikverdrossenheit genannt.

 

 

Weitere Informationen zur Versammlung am 21. Juli (Gesetzestext unter Annexe, Article 4):

www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do

 

Aktion Volksabstimmung: www.aktion-volksabstimmung.de

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